Knochenfinder
und den Fund von gestern als Einzelfall abtun. Und so schnell können meine Kollegen überhaupt nicht reagieren, dafür gibt es viel zu viele Caches hier in der Region. Mehrere Hundert sind es auf jeden Fall.«
Natascha hob die Augenbrauen. »So viele? Und ich dachte, es gäbe nur ein paar vereinzelte Verstecke in den umliegenden Wäldern!«
Simon lachte, während er den Blinker setzte, um auf die Hüttentalstraße abzubiegen. Doch Sekunden später verging ihm das Lachen: Sie mussten sich in eine Autoschlange einreihen, die langsam aus der Stadt herauskroch. Sie waren in den Feierabendverkehr geraten.
»Geocaching ist vielleicht den meisten Menschen noch unbekannt, weil die Medien eher selten darüber berichten«, erzählte Simon. »Dennoch gibt es unglaublich viele Menschen, die diesem Hobby nachgehen: Es ist so etwas wie ein offenes Geheimnis. Manche Leute, wie mein Onkel, machen das ganz intensiv und regelmäßig, andere nur im Urlaub. Und die vielen Cacher und die Menge an Geocaches machen es nun meinen Kollegen auch so schwer, die versteckten Behälter aus dem Verkehr zu ziehen oder die Leute dazu aufzufordern, sie zumindest genauer zu kontrollieren.«
»Das sprichwörtliche Fass ohne Boden«, merkte Natascha an. Sie hatte zwar vorher schon gelegentlich von Geocaching gehört, aber sich ein völlig falsches Bild von der Verbreitung dieses Freizeitvergnügens gemacht.
»Ein weiteres Problem sind die Identitäten der Cacher«, fuhr Simon fort. »Man meldet sich einfach mit einem beliebigen Cachernamen auf der Internetplattform an und muss weder den richtigen Namen noch die eigene E-Mail-Adresse hinterlassen. Zu allem Überfluss sitzen die Betreiber der Website auch noch in den USA. Jetzt kannst du dir wahrscheinlich ausmalen, wie lange es dauert, alle Cacher hier in der Gegend zu erreichen. Es ist schon fast ein Wunder, dass bisher schon so viele Caches deaktiviert wurden.« Simon schaltete in den dritten Gang, da der Verkehr vor ihnen nicht mehr so zähflüssig war.
»Okay, jetzt habe ich ein einigermaßen klares Bild von den Schwierigkeiten bei der Ermittlung dieses Tierquälers. Würdest du nicht lieber an diesem Fall arbeiten als an dem Sicherheitskonzept fürs Sommerfestival?«
Simon sah kurz zu ihr. »Klar. Aber einige Kollegen, die mit dem Fall beschäftigt sind, kennen sich gut mit Geocaching aus. Ich wäre ihnen mit meinem Hobbywissen keine große Hilfe.«
»Und gleich kannst du ihnen ja wenigstens in deiner Freizeit ein bisschen helfen. Aber vorher musst du mir noch mehr vom Cachen erzählen.«
»Du willst einen Vortrag hören?« Simon wechselte auf die linke Fahrspur und überholte einen Biertransporter. »Kannst du haben. Das GPS-Gerät kennst du ja bereits. Ohne das kannst du das Cachen gleich vergessen. Navigationsgeräte aus dem Auto funktionieren übrigens nicht; die ermitteln nämlich Positionen nicht genau genug.« Er scherte wieder rechts ein und sah Natascha kurz an. »Ich hoffe, dass ich dir das jetzt nicht genau erklären muss.«
Sie klappte die Sonnenblende nach unten und schob die Sonnenbrille in die Haare. Dabei blickte sie möglichst unauffällig in den kleinen Spiegel. Als sie sah, dass ihre Frisur noch in Ordnung war, lehnte sie sich entspannt in den Sitz zurück.
»Mir reichen Infos zum Geocaching«, antwortete sie. »Und vor allem will ich wissen, was mich gleich erwartet.«
»Auf dem Kindelsberg liegen ein paar sogenannte ›Tradis‹, das sind traditional caches . So heißen die Cacheverstecke, bei denen die Koordinaten direkt im Internet abrufbar sind. Bei den ›Multis‹ hingegen erfährt man auf der Geocachingplattform nur die Startkoordinaten. Mit ihrer Hilfe gelangt man zu einer versteckten Dose, wo ein Rätsel zu finden ist; wenn das gelöst ist, hat man die Koordinaten für das nächste Versteck. Und das geht so weiter, bis man den allerletzten Behälter gefunden hat. Wie bei einer klassischen Schnitzeljagd.«
»Und was ist in den Dosen drin?«, fragte Natascha.
»In jedem Cache, egal wie groß er ist, liegt ein Logbuch. Darin trägt der Finder seinen Namen und das aktuelle Datum ein, und manchmal hinterlässt er auch ein paar Sätze zum Versteck oder der Suche. Außerdem sollte man sich beim Besitzer des Caches mit ein paar Worten fürs Verstecken bedanken; das ist einfach eine nette Geste. Manche Behälter sind nur so klein wie Filmdöschen, viele jedoch sind ungefähr so groß wie Butterbrotdosen und enthalten Tauschgegenstände. Irgendwelche kleinen Dinge,
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