Knochenfunde
völlig deprimiert gefühlt.
»Ich hatte damit gerechnet, Senator Melton hier zu treffen.«
»Er kommt morgen. Er muss heute Abend an einer Sponsoren-
veranstaltung in New York teilnehmen.« Tanzer geleitete sie zu seinem Cadillac auf dem Parkplatz. »Ich werde als Erstes dafür sorgen, dass Sie ordentlich untergebracht sind. Machen Sie sich mal keine Sorgen, junge Frau.«
Seine gönnerhafte Art ging Eve fürchterlich auf die Nerven. »Ich mache mir keine Sorgen. Ich möchte einfach mit der Arbeit anfangen. Das ist alles.«
»Bewundernswert.« Tanzer hielt ihr die Wagentür auf. »Aber Sie werden doch sicherlich ein bisschen was von Baton Rouge sehen wollen, wo Sie schon mal hier sind. Sie haben wirklich Glück, dass der Senator mich geschickt hat, Sie abzuholen. Ich kenne diese Stadt wie meine Westentasche. Sind Sie zum ersten Mal hier?«
»Ja. Ich reise nicht viel.«
»Dann wird es ja höchste Zeit, dass Sie einen Eindruck von Baton Rouge bekommen.«
Tanzer hatte offenbar nicht gehört, was sie ihm gesagt hatte. »In welchem Hotel haben Sie mir ein Zimmer reserviert?«
»Senator Melton meinte, es wäre besser, wenn Sie nicht in einem Hotel übernachten. Wir haben eine wunderschöne Plantagenvilla für Sie gemietet, etwa eine Stunde außerhalb der Stadt. Sie liegt in der Nähe der Kirche, in der Sie arbeiten werden. Es wird viel bequemer für Sie sein, wenn Sie nur über die Brücke zu gehen brauchen, und das Haus wird Ihnen sicherlich gefallen. Es ist sehr alt und ganz vornehm eingerichtet. Hier in Baton Rouge ist überhaupt vieles sehr alt. Die Stadt hat eine Atmosphäre von – «
»Moment mal.« Das ging ihr alles viel zu schnell. »Ich soll in einer Kirche arbeiten?«
»Na ja, es war zumindest mal eine. Seit zehn Jahren wird sie
nicht mehr genutzt. Sie wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gebaut und ist ziemlich verfallen. Die Stadtverwaltung kann sich nicht entscheiden, ob man sie abreißen oder mit viel Geld restaurie-ren lassen soll. Deswegen kam es ganz gelegen, als Senator Melton anbot, sie für eine Zeit lang zu mieten. Haben Sie Probleme damit?«
»Nein, es ist mir egal. Wenn ich in der Nähe untergebracht bin, kann ich vielleicht schon heute Nachmittag anfangen.«
»Das geht leider nicht. Wir müssen auf Senator Melton warten.«
Tanzer strahlte sie an. »Aber ich werde ihm sagen, dass Sie es kaum erwarten können, sich in die Arbeit zu stürzen. Er wird ganz schön beeindruckt sein von Ihrem Tatendrang.«
»Ich habe kein Bedürfnis, Senator Melton zu beeindrucken.« Eve bemühte sich um Geduld. Schließlich tat der Mann nur, wozu man ihn beauftragt hatte. »Und wenn Sie mir seine Telefonnummer geben, werde ich ihm das selbst sagen.«
»Sicher.« Tanzer schrieb die Nummer auf eine seiner Visitenkarten und reichte sie ihr. »Aber es könnte schwierig sein, ihn zu erreichen. Er ist ein sehr beschäftigter Mann. Und jetzt will ich Ihnen ein paar unserer Sehenswürdigkeiten zeigen…«
Während der nächsten Stunde fuhr Tanzer Eve kreuz und quer
durch die Stadt und redete ohne Unterlass. Sie war zutiefst erleichtert, als er schließlich auf ein Haus mit weißen Säulen deutete. »Da sind wir. Ich habe Ihnen ja gesagt, es ist ein schönes Haus. Ein bisschen wie Tara in Vom Winde verweht. Sehr malerisch, und der Sumpf rundherum ist auch ganz hübsch. Sie werden sich fühlen wie in Venedig, und um diese Jahreszeit ist das Wetter hier bei uns auch nicht schlecht.«
Genau das hatte Joe auch gesagt. Hastig schob Eve den Gedan-
ken beiseite. Nicht an Joe denken. Leichter gesagt als getan. Joe war so sehr Teil ihres Lebens, dass alles sie an ihn erinnerte.
Tanzer half ihr aus dem Wagen. »Das Haus ist größtenteils unbenutzt und verschlossen. Aber Sie haben eine sehr schöne Wohnung.
Vier Zimmer und ein mit Marmor gefliestes Bad. Es gibt sogar eine gut bestückte Bibliothek. Ich habe dafür gesorgt, dass ein paar nette Liebesromane für Sie bereitstehen.« Er klopfte an die Tür. »Marie Letaux ist Köchin und Haushälterin. Sie ist eine echte Cajun, und sie hat ein Händchen für die einheimische Küche. Sie wurde uns wärms-tens empfohlen, und wir schätzen uns glücklich, sie bekommen zu haben.« Eine kleine, dunkelhaarige Frau von etwa Ende dreißig öffnete die Tür. »Guten Tag, Marie. Das ist Ms Eve Duncan. Ich habe ihr gerade erzählt, was für eine phantastische Köchin Sie sind und dass Sie sich gut um Ihren Gast kümmern werden.«
Marie Letaux schaute ihn kühl an. »Ich bin
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