Knochenfunde
bemerkbar.«
»Ich möchte – « Eve nickte ungeduldig. »Beeilen Sie sich. Wenn er nicht da ist, müssen wir sein Hotel finden.«
»Ich mache so schnell ich kann.« Galen verschwand im Haus.
Sie wollte nicht draußen warten. Nervös schaute sie über ihre Schulter hinweg zu den Nachbarhäusern hinüber. Überall Dunkelheit und Stille.
Jemand beobachtete sie.
Blödsinn. Niemand beobachtete sie.
»Kommen Sie«, sagte Galen. »Die Luft ist rein.«
»Ist er hier?«
»Ja, er ist hier.« Er schloss die Tür. »Aber Sie werden ihn sicher nicht sehen wollen. Kein hübscher Anblick. Sein halber Kopf ist zerfetzt.«
Eve erstarrte. »Was?«
»Da, am Schreibtisch.«
Das Licht war aus, aber sie konnte eine Gestalt erkennen, die auf dem Schreibtischstuhl in sich zusammengesunken war. »Pierre?«
»Soweit ich es beurteilen kann.«
»Ermordet.«
»Es wurde so arrangiert, dass es aussieht wie Selbstmord. Die Pistole befindet sich immer noch in seiner Hand. Womöglich hat er sogar selber abgedrückt.«
»So wie Marie gezwungen wurde, den Eintopf zu essen«, sagte
Eve tonlos.
» Genau.«
»Ich möchte ihn sehen.«
»Sind Sie sicher?«
»Es ist nicht die erste Leiche, die ich zu Gesicht bekomme, Galen.«
»Ich weiß, aber es widerspricht meinem Beschützerinstinkt.« Er drückte auf den Lichtschalter neben der Tür. »Fassen Sie nichts an.«
Blut und Hirnmasse waren überallhin gespritzt. Eve zwang sich, bis an den Schreibtisch zu gehen. Vor Pierre lagen mehrere gerahmte Fotos seiner Mutter. Auf einer Seite lag ein Stapel Briefe, die ebenfalls voll Blut waren.
»Es sieht so aus« – sie schluckte schwer – »als hätte er ihre Sachen durchgesehen.«
»Und als wäre er darüber verzweifelt und hätte sich das Leben genommen. Jeder, der auf Maries Begräbnis war, würde bezeugen, wie erschüttert er gewesen ist. Sehr gut eingefädelt. Oder glauben Sie, er könnte tatsächlich Selbstmord begangen haben?«
Eve schüttelte den Kopf. »Er wollte etwas aus seinem Leben machen, damit ihre harte Arbeit nicht umsonst gewesen ist. Er würde niemals – « Sie hielt es nicht mehr aus in dem Zimmer. Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu. »Das hat er nicht getan – das war jemand anders.«
»Das habe ich mir auch gesagt.« Galen folgte ihr, nachdem er
seine Fingerabdrücke vom Lichtschalter und vom Türknauf abge-
wischt hatte. »Aber die Polizei wird wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass es Selbstmord war.«
Vor dem Haus holte sie tief Luft. »Wir könnten der Polizei von Marie erzählen.«
»Ohne jegliche Beweise bis auf die Hautabschürfungen an ihren Armen? Sie haben doch selbst bisher nicht glauben wollen, dass Maries Tod kein Unfall war.«
»Wahrscheinlich ist er also heute zur Bank gegangen«, sagte sie benommen.
»Wenn er das Bankschließfach mit dem Geld nicht entdeckt hät-
te, wäre er wohl jetzt nicht tot. Er muss Zeit gehabt haben, sich den Inhalt des Schließfachs anzusehen, sonst wäre er keine Bedrohung gewesen.«
»Er war noch so jung…«
»Ja, es ist zum Kotzen.« Galen nahm Eves Ellbogen. »Machen
wir, dass wir uns verziehen. Wenn uns jemand hier sieht, kommen sie am Ende noch auf die Idee, dass es Mord war und dass wir die Hauptverdächtigen sind. Sie mögen vielleicht über jeden Verdacht erhaben sein, aber ich bin es nicht.«
»Setzen Sie sich.« Galen drückte Eve auf einen Küchenstuhl und setzte den Wasserkessel auf. »Ich mache uns einen Kaffee.«
»Es geht mir schon wieder gut.« Das war gelogen. Es ging ihr alles andere als gut. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an diesen schönen jungen Mann, der jetzt nicht mehr schön war. Pierre, dessen Leben so ein brutales Ende gefunden hatte.
»Dann leisten Sie mir halt Gesellschaft.« Galen schaltete den Herd ein und nahm eine Dose löslichen Kaffee aus dem Schrank.
»Ich bin sehr sensibel. Ich kann einfach kein Blut sehen.«
Sie versuchte zu lächeln. »Lügner.«
»Nein, ich bin wirklich sensibel. Nur dass mein empfindlicher Kern von einer Schicht Narbengewebe überdeckt ist.« Er nahm zwei Tassen vom Regal und tat Zucker hinein. »Und Blut ist… eine Sauerei. Man sollte es nur vergießen, wenn es absolut unumgänglich ist.
Es gibt wesentlich sauberere Methoden.« Er warf ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu und grinste. »Das hat gesessen, was? Haben Sie etwa erwartet, dass ich Sie tröste? Dafür sind Sie viel zu hartgesotten.«
»Bin ich das?«
»Klar. Quinn würde Sie natürlich trösten. Aber
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