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Knochenfunde

Knochenfunde

Titel: Knochenfunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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geplant hatte, mit der er irgendeinem hohen Tier auf die Füße getreten wäre?«
    »Sie spielen also schon wieder das Spiel ›Was wäre wenn‹.«
    »Ich kann nichts dafür. Da bin ich zwanghaft. Das ist meine
    misstrauische Natur.« Galen lächelte. »Aber zumindest sollten Sie doch erleichtert sein zu erfahren, dass Bently sich als ein tadelloser Charakter erweist.«
    »Wieso?«
    »Weil Sie offensichtlich so liebevolle Gefühle für diesen Schädel entwickelt haben, dass es Sie verdammt glücklich machen würde, wenn sich herausstellt, dass Victor ein netter Mensch war.«
    »So oder so würde mich nichts davon abhalten, meine Arbeit zu Ende zu bringen.«
    Galen legte den Kopf schief und musterte den Schädel. »Sie
    scheinen ja noch nicht sehr weit gekommen zu sein. Er sieht aus wie eine Voodoo-Puppe. Was sind das für Stöckchen, die Sie in ihn gesteckt haben?«
    »Gewebetiefenmesser. Ich schneide jedes Stäbchen auf die richtige Länge zurecht und klebe es auf eine bestimmte Stelle des Gesichts. Es gibt mehr als zwanzig Punkte am Schädel, deren Gewebetiefe bekannt ist.« Vorsichtig brachte sie ein weiteres Stäbchen an.
    »Es gibt anthropologische Tabellen, auf denen man die Maße für jeden Punkt ablesen kann.«
    »Dann besteht Ihre Arbeit also hauptsächlich aus Messungen?«
    »Nein, das ist die Routinearbeit. Ich nehme Plastilinstreifen und klebe sie zwischen die Stäbchen, bis sie die richtige Gewebetiefe haben. Dann fange ich an zu glätten und auszufüllen und zu model-lieren, bis ich zufrieden bin. Die letzte Phase ist die wichtigste. Deswegen vermeide ich es, mir Fotos des Toten anzusehen. Nicht einmal mein Unterbewusstsein darf beeinflusst werden.«
    »Tja, vorerst besteht ja keine Gefahr. Aber ich habe vor, zur Zei-tungsredaktion zu gehen und mir ein paar Fotos zu besorgen.«
    »Dann behalten Sie sie, bis ich fertig bin.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Wenn ich es Ihnen sage. In fünf, sechs Tagen vielleicht.« Sie schaute ihn an. »Irgendwelche Neuigkeiten über Pierre?«
    »Ein kurzer Artikel auf Seite fünf der lokalen Tageszeitung über den Selbstmord von Pierre Letaux, der offenbar verzweifelt war über den plötzlichen Tod seiner Mutter.«
    »Sie haben ja gleich vermutet, dass die Polizei keine Fragen stellen würde.«
    »Ich muss gestehen, dass ich in dem Fall nicht darauf erpicht war, Recht zu behalten.« Er zuckte die Achseln. »Manchmal gewinnen die Verbrecher halt.«
    »Diesmal nicht.« Sie klebte ein weiteres Stäbchen auf. »Und jetzt gehen Sie und lassen mich arbeiten.«
    »Bin schon unterwegs.« Er überlegte. »Wissen Sie, wir könnten eigentlich Melton anrufen und ihm sagen, wir seien der Meinung, dass mit Marie und Pierre Letaux’ Tod etwas nicht stimmt.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Und dann würde er mir
    versichern, dass ich mich irre und dass die Polizeiberichte einwand-frei sind.«
    »Möglich.«
    »Außerdem habe ich im Moment keine Lust, mich mit Melton zu
    beschäftigen.«
    »Das habe ich mir schon gedacht. Es würde Ihre Arbeit an Victor stören, und das darf natürlich auf keinen Fall passieren. Bringt Rick Ihnen was zu essen?«
    »Wenn ich ihn gewähren lasse.« Sie hob eine Braue. »Mein Vor-
    koster scheint seine Aufgabe nicht allzu ernst zu nehmen.«
    »Rick würde niemals zulassen, dass Ihnen etwas zustößt. Jedenfalls nicht, solange Sie an Victor arbeiten. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so eifrig darum bemüht war, jemandem die Arbeit zu erleichtern. Und heute Abend werde ich höchstpersönlich für Sie kochen.«
    »Das ist ja sehr beruhigend.«
    »Es sollte mehr als beruhigend sein. Die Vorfreude müsste Ihnen das Herz höher schlagen lassen.«
    »Dazu habe ich keine Zeit.«
    »Okay, machen Sie sich keine Gedanken, was meine Kochkünste
    angeht.« Er wandte sich zum Gehen. »Mir liegt ebenfalls viel daran, dass Sie Ihre Arbeit möglichst bald beenden.«
    Ihm konnte nicht mehr daran gelegen sein als ihr selbst, dachte Eve, nachdem er gegangen war. Seit sie in der vorvergangenen
    Nacht Pierres Leiche gesehen hatte, war sie entschlossen, diese Rekonstruktion unter allen Umständen so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
    Vielleicht hatte sie diese Absicht auch schon vorher gehabt. Es gab so wenige wirklich gute Menschen, und womöglich war Bently eines dieser seltenen Exemplare gewesen.
    Sie brachte ein weiteres Stäbchen an. »Wir schaffen das schon, Victor«, murmelte sie. »Galen glaubt, du seist so eine Art Märtyrer gewesen,

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