Knochenfunde
Melton diesen Mann identifiziert. Aber die meisten Schädel, an denen ich arbeite, gehören Opfern von Verbrechen, und dieses Problem habe ich nicht zum ersten Mal. Ich kann nicht jedes Mal aufhören zu arbeiten, wenn ich merke, dass jemand etwas dagegen hat. Dann würde ich nie eine Rekonstruktion zu Ende bringen.«
Galen musterte sie. »Und Sie sind neugierig auf diese Rekon struktion, nicht wahr? Sie wollen es wirklich tun.«
Sie nickte. »Das stimmt allerdings. Harold Bently scheint mir ein bewundernswerter Mann gewesen zu sein. Die Vorstellung, er könnte geendet haben wie ein Stück Müll, das man in den Sumpf geworfen hat, widerstrebt mir zutiefst. Ich möchte wissen…« Sie zuckte die Achseln. »Die Aufgabe reizt mich einfach.«
»Vielleicht ein bisschen zu sehr.« Galen stand auf. »Okay, meinetwegen. Wenn Sie es tun wollen, ist es sowieso zwecklos, Sie davon abbringen zu wollen. Aber ich werde mich nicht wie geplant im Hintergrund halten.«
»Das wäre ja auch das erste Mal gewesen.«
»Ich kann sehr unauffällig sein.« Er grinste. »Es macht nur nicht so viel Spaß.« Er ging zur Tür. »Aber ich werde Sie jeden Tag zu dieser Kirche begleiten. Und ich bin Ihr offizieller Vorkoster. Ich werde Tag und Nacht an Ihrer Seite sein. Einverstanden?«
»Das ist vielleicht vergebliche Liebesmüh.«
»Aber Sie werden sich dennoch sicherer fühlen, nicht wahr? Das können Sie ja auch, solange ich schön auf Sie aufpasse.«
Eve schnaubte verächtlich.
»Das war aber nicht nett.« Er schaute sie über die Schulter hinweg an. »Sind Sie sicher, dass ich Quinn nichts erzählen soll?«
»Absolut sicher.«
Er tat so, als würde er zusammenzucken. »Wollte mich nur vergewissern. Die Situation zwischen Ihnen beiden scheint ja ziemlich verfahren zu sein.«
Sie starrte ihn herausfordernd an. »Was ist los, Galen? Kriegen Sie das allein nicht geregelt?«
»Jesses, das war aber ein Schlag unter die Gürtellinie. Sie sind ganz schön kratzbürstig. Man hat mir schon öfter gesagt, Sie seien auf der Straße aufgewachsen. Ich glaube es unbesehen.«
»Und was ist mit Ihnen? Atlanta ist bestimmt kein härteres Pflaster als Liverpool.«
»Da haben Sie allerdings Recht.« Galen nickte. »Also gut. Quinn bleibt aus dem Spiel.«
Er schloss die Tür hinter sich.
Quinn bleibt aus dem Spiel.
Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Joe Quinn gehörte seit so langer Zeit zu ihrem Leben, dass es fast unvorstellbar war, ihn nicht in der Nähe zu haben. Sie würde Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen.
Würde sie sich an ein Leben ohne Joe gewöhnen können? Eve war sich nicht sicher, ob es ihr schwerer fallen würde, die Beziehung zu ihm abzubrechen oder mit dem zu leben, was er ihr angetan hatte.
Sie wusste es nicht, und sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
Sie wollte an nichts anderes denken als an die Arbeit, die vor ihr lag.
Sie würde die Rekonstruktion durchführen, dann würde sie vielleicht Jane nachkommen lassen und eine Weile mit ihr in New Orleans verbringen. Es wäre nicht schlecht, ein bisschen mehr von der Welt zu sehen. Sie musste nicht nach Hause fahren.
Und die Vorstellung, Marie Letaux könnte versucht haben, sie umzubringen, war ebenso abstrus wie das hässliche Bild, das Galen von Maries Tod beschrieben hatte. So kaltblütig konnte niemand sein.
Doch, das war durchaus denkbar. Bonnies Mörder war ein sol ches Ungeheuer gewesen, und sie hatte noch andere Mörder dieses Kalibers gekannt. Sie wollte einfach mit dieser Art von Horror nichts zu tun haben, jetzt wo sie versuchte, ihren eigenen Horror durchzustehen. Sie wollte einfach nicht, dass es die Wahrheit war.
Vielleicht war es das auch nicht. Aufgrund seiner Erfahrung war Galen einfach allem und jedem gegenüber misstrauisch. Sollte er misstrauisch sein. Sollte er sie ruhig beschützen. Schaden konnte es immerhin nicht.
Jedenfalls nicht, solange er sie nicht von der Arbeit abhielt.
»Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt, Jules«, sagte Melton. »Ich habe versucht, sie dazu zu bringen, dass sie ihn sich vom Hals schafft, aber da war nichts zu machen. Ich werde die Sache ruhen lassen und ein paar Leute anrufen. Vielleicht können die so viel Druck auf ihn ausüben, dass er sich zurückzieht.«
»Kümmern Sie sich nicht um den Mann«, sagte Hebert. »Der ist kein Problem für uns.«
Stille am anderen Ende der Leitung. »Vielleicht sollte ich Ihnen ein Dossier über ihn schicken?«
»Das besitze ich bereits.«
»Und Sie glauben
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