Knochenfunde
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kriege eine solche Wut, wenn ich an die Explosion in dem Haus denke, dass ich den Mistkerl am liebsten eigenhändig erwürgen würde. Aber es wäre unverantwortlich, solange Jane – «
»Vielleicht wäre es aber auch das Beste, was wir tun könnten.
Den Hund aus dem Verkehr ziehen, bevor er noch weiteres Unheil anrichtet. Wenn wir bloß eine Spur hätten…«
Eve antwortete nicht gleich. »Möglicherweise haben wir eine Spur.«
Er sah sie fragend an.
Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich möchte noch nicht mal drüber nachdenken. Es ist keine – «
»Schon gut, schon gut. Wir reden noch mal über das Thema, wenn du dich etwas beruhigt hast.« Er überlegte. »Jennings hat mich auf dem Handy angerufen, während du mit Jane telefoniert hast. Er möchte herkommen und den Schädel abholen.«
»Er bekommt ihn, wenn ich bereit bin, ihn ihm zu übergeben. Ich bin immer noch sauer auf ihn.«
»Er war sehr hartnäckig. Ich wollte es dich nur wissen lassen.«
Joe stand auf und trat ans Fenster. »Die Sonne geht unter. Wie schön. Sonnenuntergänge im Herbst habe ich schon immer besonders gemocht. Sie scheinen sich schärfer und deutlicher gegen den Himmel abzuzeichnen.«
Wie Joe in diesem Augenblick. Seine Gestalt hob sich silhouettenhaft gegen das sanfte Licht ab, das durch das Fenster fiel, und er wirkte eckig und kantig. Wie oft hatte sie ihn an diesem Fenster stehen sehen? Sie ging zu ihm hinüber. »Es ist wirklich sehr schön.«
Sie betrachtete den See, der im Zwielicht golden schimmerte. »Ich fühle mich hier so wohl.«
»Ich weiß.« Er schaute sie an. »Aber es wundert mich, dass du das jetzt sagst. Vor kurzem konntest du gar nicht schnell genug von hier fortkommen.«
»Ich war verletzt.« Eves Blick wanderte zu dem Hügel hinüber, wo sie ihre Tochter begraben zu haben glaubte. »Alles hier erinnerte mich an das, was du getan hast.«
Er zuckte zusammen. »Ist das jetzt vorbei?«
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie in der Vergangenheit gesprochen hatte. »Ich weiß nicht, Joe. Ich habe immer noch das Gefühl – Es ist noch nicht ausgestanden. Ich bin mir nicht sicher, ob es je ausgestanden sein wird.«
»Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt möchte.«
»Wie bitte?«
»Das wundert dich, nicht wahr?« Joe schaute wieder auf den See hinaus. »Möchte ich für den Rest meines Lebens mit dir zusammenleben? Ja, verdammt. Tut es mir Leid, dass ich dich verletzt habe?
Du weißt, dass es mir Leid tut. Möchte ich das Leben wiederhaben, das wir vorher hatten? Ich hätte es gern wieder, aber ich glaube, es könnte noch besser werden.«
»Glaubst du?«
»Vor zwei Jahren habe ich dich gefragt, ob du mich heiraten
willst. Du hast gesagt, dass du mich liebst. Warum hast du mich nicht geheiratet?«
»Wir waren beide so beschäftigt. Wir sind einfach nicht dazu gekommen.«
Joe sah ihr in die Augen.
»Du hast aber auch nie darauf gedrängt«, sagte er.
»Weil ich Angst hatte.«
»Ich bin in unserer Beziehung immer der Bittsteller gewesen.«
»So ein Blödsinn.«
»Ich musste zehn Jahre warten, bis du mir endlich eingestanden hast, dass du mich liebst und mit mir zusammenleben willst. Glaubst du vielleicht, ich würde das alles gefährden, indem ich dich in eine Richtung dränge, in die du nicht gehen willst?«
»Ich wollte dich doch heiraten.«
»Warum hast du es dann nicht getan?«
»Was versuchst du mir eigentlich zu sagen?«
»Ich versuche dir zu sagen, dass ich große Fortschritte gemacht habe, aber neben Bonnie spielte ich immer noch die zweite Geige.«
»Und ich nehme an, deswegen hast du mich angelogen?«
»Quatsch. Ich hätte dasselbe getan, auch wenn ich davon überzeugt gewesen wäre, dass ich auf Platz eins deiner Hitliste stehe. Ich wollte deiner verzweifelten Suche nach ihr ein Ende setzen.«
»Indem du mich belogen hast.«
»Es war ein Fehler. Aber es wäre keine Tragödie gewesen, wenn du es geschafft hättest, wieder in die Welt der Lebenden zurückzufinden, bevor es so weit kommen musste.«
»Du weißt ja nicht, wovon du redest«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Niemand weiß so gut wie ich, wie weit du gekommen bist. Ich habe miterlebt, wie du Schmerz und Depression und Wahnsinn ü berwunden hast. Was glaubst du eigentlich, warum ich dich so sehr liebe?« Er berührte zärtlich ihre Wange. »Du brauchst nur noch ein paar Schritte zu machen.«
»Ich bin… verwirrt. Du stellst alles auf den Kopf.« Sie blinzelte, um ihre
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