Knochenfunde
Tat.
»Eve?«
Ihr Entsetzen verwandelte sich in Zorn. »Ich bin stinkwütend, Joe. Hebert hat Jennings wegen Victor getötet. Als Hebert sich bewusst wurde, dass er womöglich nicht erfahren würde, wer Victor war, hat er beschlossen, dass auch niemand anders es erfahren darf.
Ob ein anständiger Mann dabei draufging, war ihm egal.«
»Vielleicht steckt noch mehr dahinter«, sagte Joe. »Jennings hatte in Boca Raton irgendwas rausgefunden.«
Ja, Jennings war ganz aufgeregt gewesen. Was hatte er gesagt?
Es lag die ganze Zeit direkt vor meinen Augen, aber ich habe es nicht gesehen.
Was war das gewesen, direkt vor Jennings’ Augen?
Eve rieb sich die schmerzenden Schläfen. Sie konnte nicht denken. Ihre Wut hinderte sie daran, einen klaren Gedanken zu fassen.
Am liebsten hätte sie nur noch um sich geschlagen.
Solchen Verbrechern muss man die Stirn bieten.
Das hatte Jane gesagt, aber Eve hatte ihre Worte ignoriert. Jetzt war ein weiterer Mord geschehen, und Hebert war wieder entkommen.
Zur Hölle mit ihm.
Sie würde sich nicht noch einmal in einer Höhle verkriechen und sich verstecken.
Galen schaltete den Motor ab, als er am Steg anlegte. »Sie haben gerufen. Hier sind wir.«
»Kommen Sie ins Haus«, sagte Eve. »Wir haben wahrscheinlich
nicht viel Zeit. Joe ist sich nicht sicher, wann die Leute vom FBI hier aufkreuzen werden.«
»Zu Befehl, Ma’am.« Galen pfiff leise durch die Zähne, als er aus dem Boot stieg und ihr in Richtung Haus folgte. »Wie Sie wünschen.«
Joe saß in einem Sessel am Fenster. »Irgendwelche Probleme auf dem Weg hierher?«
Nathan schüttelte den Kopf. »Nein. Gott, ich brauche einen Kaffee.« Er ging in die Küche. »Sie reden, und ich höre Ihnen zu, während ich Kaffee koche.«
Er ist blass und wirkt angespannt, dachte Eve. »Sie sehen nicht gut aus.«
»Schon in Ordnung. Ich bin so was einfach nicht gewöhnt.« Er zog die Brauen zusammen. »Früher wollte ich mal Polizeireporter werden, aber nach der ersten Schießerei hab ich’s aufgegeben.« Er füllte die Kaffeemaschine mit Wasser. »Ich hasse Gewalt. Ich finde Gewalt zum Kotzen.«
»Willkommen im Club.« Bei der Erinnerung an Jennings’ Tod in den Flammen lief Eve ein eiskalter Schauer über den Rücken. »Es dürfte keine Gewalt geben. Wir sollten das nicht zulassen.«
Joe schaute sie durchdringend an. »Haben wir denn eine Mög lichkeit, sie zu verhindern?«
»Wir müssen es wenigstens versuchen.« Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Wir müssen ihm das Handwerk legen. Fast hätte er Jane und meine Mutter getötet. Er hat Jennings und Capel getötet und – «
Sie brach ab und holte tief Luft. »Jane hat gesagt, solchen Verbrechern muss man die Stirn bieten, aber ich hatte zu viel Angst vor ihm. Das war ein Fehler. Wir müssen ihn kriegen, bevor er noch mehr Unheil anrichtet. Niemand ist vor ihm sicher, solange er frei herumläuft. Ich kann das einfach nicht zulassen.«
»Um ihn zu kriegen, müssen wir ihn erst mal finden«, warf Joe ein.
Eve schwieg einen Moment. »Oder er muss mich finden.«
»Den Schädel hat er bereits zerstört«, sagte Nathan.
»Vielleicht hat er es ja gar nicht mehr auf Sie abgesehen. Vor allem, wenn er in Boca Raton etwas Wichtigeres zu erledigen hat.«
»Oh, ich glaube schon, dass er es noch auf mich abgesehen hat.
Ich weiß zu viel, und offenbar ist er bemüht, für den Cabal reinen Tisch zu machen.« Sie überlegte. »Aber es wird ihn noch ein bisschen anspornen, wenn er annehmen muss, dass ich nach Beweisen suche, die nach seinem Willen nicht ans Tageslicht gelangen dürfen.«
»Zum Beispiel?«
»Bentlys Grab. Ich brauche nicht das ganze Skelett. So weit wie die DNS-Technik inzwischen fortgeschritten ist, reicht es, wenn ich ein Haar, einen Knochen oder einen Zahn finde, um zu vereiteln, was Hebert und der Cabal auch immer im Schilde führen.«
»Und wie willst du das machen?«
»Ich weiß es noch nicht. Auf jeden Fall wollen sie verhindern, dass er identifiziert wird, sonst hätten sie Jennings’ Wagen nicht in die Luft gesprengt.«
»Wie willst du das Grab denn finden?«
»Vielleicht finde ich es ja gar nicht. Aber wenn Hebert glaubt, dass ich nah dran bin, könnte es ihn zum Handeln provozieren.« Sie öffnete ihre Handtasche. »Andererseits könnte es durchaus sein, dass ich es finde.« Sie nahm einen braunen Umschlag aus der Tasche und öffnete ihn. »Wenn ich herausfinde, woher das hier stammt.«
Joe nahm den Umschlag und schaute hinein.
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