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Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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abzulassen und nicht länger andere christliche Seelen ins Verderben zu führen. Er befahl uns, unsere Gedanken dem Heiland und den Heiligen Stätten zuzuwenden, auf denen Er einst wandelte, jenen Stätten, die jetzt von den sarazenischen Ungläubigen entweiht wurden.
    Mein Gott, dachte Beth, ist das tatsächlich das, wofür ich es halte? War dies ein Bericht aus erster Hand eines Pilgers, eines Kreuzfahrers, der ins Heilige Land gezogen war? Sie begriff, dass mit Petrus nicht der Apostel Petrus gemeint war. Könnte es sich stattdessen um den legendären Petrus den Einsiedler handeln, einen bärtigen Eremiten, der gegen Ende des 11. Jahrhunderts auftauchte, um viele Europäer wachzurütteln und sie auszusenden, Palästina von den Ungläubigen zurückzuerobern? Wenn das stimmte, dann hatte dieser Schreiber sehr wahrscheinlich Französisch gesprochen, Petrus’ Muttersprache und die Sprache, in der er einen Großteil Westeuropas angestachelt hatte. Die Fertigkeiten des Schreibers entpuppten sich als immer außergewöhnlicher. Er war nicht nur in der Lage, Texte in ausgezeichnetem Latein zu verfassen und niederzuschreiben, er schuf auch Illustrationen, die einem in ihrer Schönheit und Kraft den Atem raubten. Und wenn Beth raten sollte, wie es weiterging, war er anscheinend auch noch ein Abenteurer, ein Mann der Tat. Mehr und mehr bekam sie den Eindruck, es mit einem Mann vom Schlag eines Cellini, eines Caravaggio oder Michelangelo zu tun zu haben. Das hier war nicht irgendein Klosterbruder, der kaum einmal das Skriptorium der Abtei verließ, sondern ein erstklassiger Künstler, der voll und ganz im Leben seiner Zeit gestanden hatte.
    Und wenn sie recht hatte mit Petrus dem Eremiten, dann konnte sie diese Zeit ziemlich genau bestimmen. Im Jahr 1095 begab sich Petrus, gerade frisch von seiner ersten Reise ins Heilige Land zurückgekehrt, nach Rom, um die Hilfe des Papstes zu erflehen. Wohin er auch kam, entfachte er allerorts religiöse Inbrunst und in fast demselben Maße Mordlust. Er ritt auf einem Esel und war mit einer langen Kutte bekleidet, die mit einer dicken Kordel gegürtet war. Er ergötzte die Massen, die kamen, um ihn zu sehen, mit Schauergeschichten über die Gräuel, die Christen in Jerusalem widerfuhren. Er rief die Engel an, um die Wahrheit seiner Worte zu bezeugen, und während er sprach, weinte er und schlug sich mit einem groben Kruzifix gegen die Brust, bis er blutete. Er pries die Pracht des Berges Zion, den Felsen auf Golgatha, den Ölberg. Papst Urban II. sah in ihm, wie Tausende andere, einen gesalbten Boten Gottes.
    Auch vernahm ich die Edikte des Heiligen Vaters, der versprach, dass hierdurch alle Sünden (tödliche Vergehen) gesühnt werden können und dass kein Verbrechen und keine Übeltat eines solchen Pilgers verfolgt werden dürfe.
    Beth musste lächeln. Die Geschichte entwickelte sich erwartungsgemäß. Hatte ihr Mann, wie viele heißblütige Künstler, ein Verbrechen begangen?
    Fürderhin darf keine Gewalt gegen einen Soldaten Christi verübt werden, ohne dass der Missetäter mit dem Kirchenbann belegt würde.
    Wenn er mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, musste er etwas ziemlich Übles angestellt haben. Doch der Schreiber hatte sich zu schützen gewusst. Wie viele andere war er Soldat in der Armee Gottes geworden, und jeder, der jetzt mit ihm in Streit geriete, würde einen Kirchenbann riskieren – oder gar die Exkommunikation. Für einige Menschen waren die Kreuzzüge zweifelsohne eine religiöse Berufung, doch für viele andere war der Krieg gegen die Muslime die mittelalterliche Variante der Monopoly-Karte »Du kommst aus dem Gefängnis frei«.
    Ich selbst hatte die Schärfe der Verfolgung (Ungerechtigkeit) erlebt und konnte mir die Leiden meiner Mitchristen gut vorstellen. Ich wünschte mir, meinen Willen der Vollendung von Gottes großem Ziel (höherem Plan) unterzuordnen. In den dahinschwindenden Tagen des Sommers brachen wir auf, ein großes Heer des Herrn. Unter uns waren Ritter zu Pferde, doch noch mehr gingen zu Fuß, mit nichts als einem Stecken und einem Sack. In meinem Bündel verwahrte ich die Werkzeuge meines Handwerks, denn schon vor langer Zeit hatte ich herausgefunden, dass das Können eines Künstlers sich als weit nützlicher und wertvoller erweisen konnte als die Waffen (Wege, Methoden) eines Kriegers. In diesem Glauben sollte ich bestätigt werden. Diese Werkzeuge würden mein Leben retten, auch wenn sie mir jetzt möglicherweise das Ende bescherten.
    Beth

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