Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
blickte auf. Joey tappte hinter Champ her, der einen hellblauen Baustein in der Schnauze trug. Joey lachte, und Champs Schwanz ging hin und her. Wie merkwürdig war es doch, dass sie jetzt und hier die wahrscheinlich letzten Bekenntnisse eines zum Tode verurteilten Mannes lesen konnte. Gefesselt von der Geschichte, begann sie die alternativen Übersetzungsvorschläge und Anmerkungen zu überspringen und ließ die Erzählung sich vor ihren Augen entfalten.
    Verschiedene Edelleute führten uns an, unter ihnen Herzog Robert von der Normandie, Stephan, Graf von Chartres und Troyes und Gottfried von Bouillon, ein Abkömmling von Karl dem Großen höchstselbst. Er fuhr mit der Auflistung vieler weiterer Barone und Prinzen fort, die bei diesem ersten Kreuzzug mitritten, alles in derselben engen, präzise ausgeführten Schrift, in welcher der gesamte Brief geschrieben war. Unter welchen Bedingungen mochte dieser Brief entstanden sein? Offensichtlich hatte er nur noch wenige Seiten Pergament zur Verfügung gehabt, denn die Worte standen sehr dicht beieinander, und die Zeilen waren eng beschrieben. Und wo befand er sich zu dieser Zeit? Eingesperrt in einem Kerker, wo er im Licht einer Fackel schrieb, oder im Dachgeschoss eines Gefängnisturms, zusammengekauert im Mondlicht, das durch die Gitterstäbe seines Fensters fiel? Hatte er sich seinem Schicksal ergeben, oder hatte er noch Hoffnungen oder gar Pläne für eine Flucht gehabt?
    Unsere Reise, wenngleich durch göttliche Fügung begünstigt, war beschwerlich, und häufig wurden wir belagert und angegriffen. Beth kannte die Geschichte des Ersten Kreuzzugs. Manche der Bilderhandschriften, die sie untersucht hatte, spielten darauf an, und an der Uni hatte sie die üblichen historischen Berichte studiert. Doch nie zuvor hatte sie eine Darstellung aus erster Hand wie diese gelesen. Hatte das überhaupt schon einmal jemand? Rasch verlor sie sich in der Beschreibung, wie die Masse der Pilger, die, laut den meisten Berichten, mehrere hunderttausend zählten, zwischen den Grenzen Österreichs und den Mauern Konstantinopels alles verschlang, was auf ihrem Weg lag. Die Einwohner Ungarns, Bulgariens und Griechenlands erwiesen sich als immer weniger aufnahmebereit und schließlich als feindlich. Auf einen Posaunenstoß des ungarischen Königs hin wurde eine Legion aus Bogenschützen und Berittenen auf uns gehetzt. Selbst Petrus war gezwungen, in die Thrakischen Berge zu fliehen, und dort versteckten wir uns im Elend, bis der Kaiser Alexios uns sicheres Geleit zu seiner gewaltigen Festung am Ufer des Bosporus gewährte.
    Die Sonne war noch ein Stückchen weiter hinter den Santa Monica Mountains verschwunden, und die Wörter waren immer schwerer zu lesen. Beth ließ die Abschriften in den Schoß sinken und schaute zu Joey hinüber, der seine Mauern und Türme umgeworfen hatte und, umgeben von den Bausteinen, auf dem Boden saß. Er plapperte Wortsalat vor sich hin, und Beth dachte zum x-ten Mal, dass er einfach wesentlich weiter sein musste, als es seinem Alter entsprach. Jetzt schaute er zum Schlafzimmerfenster hinauf, den Kopf in den Nacken gelegt. Beth meinte sogar, ihn »da« sagen zu hören. Als sie seinem Blick folgte, sah sie durch die Lamellen der Jalousie Carters dunkle Silhouette, als er ins Zimmer zurückging. Er war also früher als erwartet nach Hause gekommen. Trotzdem wäre es nett gewesen, wenn er kurz rausgekommen wäre und hallo gesagt hätte, ehe er nach oben ging und sich umzog. Sie hatte Schwertfischsteaks vom Markt mitgebracht und hoffte, dass er Lust hatte zu grillen.
    »Willst du reingehen und deinen Daddy begrüßen?«, sagte Beth zu Joey. »Kannst du das sagen – Daddy?« Joey sah sie mit einem breiten Grinsen an, sagte aber nichts. »Ich glaube, du hast es vor gerade zehn Sekunden getan.« Beth ging in die Knie und kroch über den Rasen auf ihn zu. Das brachte Joey zum Lachen, und seine blonden Locken hüpften in der Abendluft, während Champ bellend in einem großen weiten Kreis um sie herumrannte.
    Die Abschriften unter den Arm geklemmt, hob sie Joey vom Rasen hoch, und zusammen standen sie einen Moment da und sahen zu, wie die Sonne hinter der Bergspitze verschwand. Die Schlucht hinter ihrem Haus versank im dunklen Schatten, als ein Schwarm Vögel unvermittelt aus dem Gebüsch aufstieg und Richtung Ozean davonflog.
    Beth schnüffelte an Joeys Wange. Warum hatte ihr vorher niemand gesagt, wie süß Babys rochen? Schließlich drehte sie sich zum Haus um. Carter

Weitere Kostenlose Bücher