Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
war, dass sie ihn auch nicht mehr hören konnte. Er steckte das Telefon zurück in die Tasche.
»Sind Sie sicher, dass Sie wissen, wohin wir gehen?«, fragte Hector.
»Absolut«, sagte Carter, doch auch er empfand die Atmosphäre ihrer Umgebung als seltsam bedrückend. Es kam nicht oft vor, dass er sich tief unter der Erde wiederfand, umgeben von Millionen von Knochen und versteinerten Artefakten. Er bezweifelte, dass Hector auf seinen regelmäßigen Runden diesen Korridor jemals betrat.
Der Gegenstand, den er dem Griff des La-Brea-Manns entwunden hatte, ruhte schwer in seiner Jackentasche, und er freute sich schon darauf, morgen wiederzukommen und ihn zu untersuchen … hier unten, weit weg von Gundersons neugierigen Blicken.
Am Ende des Korridors, unter einer Reihe Leuchtstoffröhren, stand ein breiter Tisch, darauf ein paar Glaskrüge mit den wichtigsten Werkzeugen seines Handwerks – Meißel, Skalpelle, Pinsel und Rasierklingen – und zwei Metallhocker davor. Hier hatte Carter die Überreste der La-Brea-Frau untersucht.
»Warum mussten Sie unbedingt jetzt hier runterkommen?«, fragte Hector, einen angefressenen Unterton in der Stimme. »Hätte das nicht bis morgen warten können?«
»In einer Minute bin ich fertig«, sagte Carter, nahm seinen Schlüsselbund aus der Tasche und suchte nach dem kleinen Schlüssel, der zum Vorhängeschloss an der obersten Schublade des Schranks passte.
»Einer der anderen Wachmänner«, sagte Hector, »hat mir gesagt, er hätte Geronimo gesehen.«
»Tatsächlich?«, sagte Carter unverbindlich und fand den richtigen Schlüssel.
»Gestern.«
Carter steckte den Schlüssel ins Loch und sagte: »Das kommt mir allerdings ziemlich unwahrscheinlich vor. Geronimo – William Blackhawk Smith«, korrigierte er sich, »ist seit über einer Woche tot.« Carter entfernte das Vorhängeschloss und legte es auf den Arbeitstisch hinter sich.
Hector zuckte die Achseln. »Hier passieren die ganze Zeit komische Sachen.«
Und eine davon passierte genau in diesem Moment, dachte Carter. Ehe er überhaupt die Gelegenheit hatte, die Schublade mit den Überresten der La-Brea-Frau zu berühren, glitt sie auf, so leicht, als liefe sie auf Schienen. Normalerweise klemmten diese Schubladen, und man musste immer ein wenig daran ruckeln. Nicht so bei dieser. Sie glitt auf, als besäße sie einen eigenen Willen.
Der zerschmetterte Schädel lag in der Mitte der Lade, die leeren Augenhöhlen blickten zur Decke.
Hector, der nicht gesehen hatte, wie sich die Schublade geöffnet hatte, stellte sich neben Carter, bekreuzigte sich und starrte auf den uralten Schädel hinunter. »Ist das die Frau, die man in der Grube gefunden hat? Vor vielen Jahren?«
»Ja.« Carter zog das weiße Taschentuch mit dem Gegenstand aus seiner Tasche. Es wäre besser gewesen, wenn Hector es nicht mitbekommen hätte, aber er schien kaum eine andere Wahl zu haben. Carter entfernte das Taschentuch, das zu Boden schwebte, und legte den mit Teer bedeckten Stein, oder was immer es sein mochte, in die Schublade. Dies war der sicherste Platz, der ihm eingefallen war.
Etwas wirbelte die Luft auf und blies das jetzt mit Teer beschmutzte Taschentuch über ihre Füße.
Hectors Kopf fuhr herum. Er zog seine Taschenlampe aus dem Gürtel und leuchtete damit in alle Richtungen.
»Das sind nur die Lüftungsschlitze«, sagte Carter, hob das Taschentuch auf und warf es in die Schublade.
Doch Hector wirkte nicht überzeugt. »Da hat sich was bewegt«, sagte er. »Da drüben.« Er deutete in die nächste Gangreihe.
»Das war wahrscheinlich eine Maus.«
Carter wollte die Schublade wieder schließen, doch jetzt klemmte sie. So leicht sie vorher herausgekommen war, so schwierig war es jetzt, sie wieder zuzuschieben. Er bat Hector um die Taschenlampe, der sie ihm widerwillig übergab, und beleuchtete die Vorderseite und die Seiten der Schublade. Seitlich am Metall entdeckte er lange Kratzspuren und sogar ein paar kleine Dellen am einen Ende. Einige von diesen Schränken waren zig Jahre alt, doch Carter erinnerte sich nicht daran, dass dieser vorher auch schon so ramponiert ausgesehen hatte.
Er versuchte noch einmal, die Schublade hineinzuschieben, und dieses Mal schien die Lade seinen Druck fast zu erwidern. Ein kreischendes Geräusch ertönte, doch die Schublade weigerte sich weiterhin, sich wieder zurückschieben zu lassen. Hector sagte: »Was ist los? Wir müssen wieder zurück.«
»Ich bekomme die Schublade nicht zu.«
»Machen Sie sich
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