Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
widmete er sich wieder der Arbeit an der Hand, während Del auf der anderen Seite des Labortisches damit fortfuhr, die Gipsschicht vom Hinterkopf des Schädels zu lösen. Tagsüber waren die Knochen sorgfältig unter einer schwarzen Plastikplane verborgen, doch seit mehreren Abenden arbeiteten Carter und Del jetzt eine oder zwei Stunden daran, sobald das Museum seine Pforten geschlossen hatte. So lange wie heute waren sie noch nie geblieben, aber da immer mehr vom Skelett freigelegt war, wuchs Carters Drang, mit der Arbeit fortzufahren. Er wusste, dass Beth alles andere als begeistert über seinen späten Feierabend war, doch er hatte ihr versprochen, dass es bald vorbei sein würde. Und es war nicht so, als wären ihr solcherlei Probleme vollkommen neu.
Er klopfte seitlich gegen den Gips an einer Stelle, wo sich der kleine Finger der linken Hand des Mannes befinden könnte, und ein kleiner Riss bildete sich. Er drehte die Lampe, um besser sehen zu können, und ja, er erkannte die hauchdünne, kaum erkennbare Line zwischen dem Knochen und dem immer noch bedeckten Gegenstand. Mit äußerster Vorsicht und etwas Glück könnte er jetzt vielleicht beides voneinander lösen.
»Kommst du inzwischen besser mit deinem Schwager zurecht?«, fragte Carter. Del wohnte nach wie vor in der schicken Eigentumswohnung seiner Schwester am Wilshire Boulevard.
»Solange ich draußen auf dem Balkon bleibe, ist es für die beiden okay, und für mich auch.«
»Der Verkehrslärm stört dich nicht?« Mit einem feinen Pinsel aus Kamelhaaren bürstete Carter den Gipsstaub weg.
»Sie wohnen im neunundzwanzigsten Stock«, erwiderte Del ohne seinerseits von der Arbeit aufzublicken. »Ich bekomme eher den Krach von den Flugzeugen mit. Aber es ist wirklich nicht ideal. Ich suche nach einer neuen Unterkunft.«
Carter nahm wieder das Skalpell zur Hand und vergrößerte behutsam den Spalt zwischen dem Knochen und dem Gegenstand. Merle sang mit seinem vollen Bariton davon, dass all seine Freunde zu Fremden geworden waren.
»Hast du Lust auf ein zweites Wanderwochenende?«, fragte Del.
»Klar.«
»Vielleicht könnten wir irgendwo hinfahren, wo einem nicht die Reifen aufgeschlitzt werden.«
»Gute Idee.« Nach ihrem letzten Ausflug in den Temescal Canyon hatten sie eine Stunde auf dem Parkplatz gewartet, bis der Abschleppwagen kam. Und Carter musste für einen Satz neuer Reifen blechen.
Er benutzte das Skalpell als Hebel. Und genau in dem Moment, als der Gips barst und Knochen und Gegenstand sich voneinander lösten, ging überall im Labor die Deckenbeleuchtung an.
»Was zum Teufel ist hier denn los?«, hörte Carter jemanden direkt neben sich sagen.
Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer es war.
Gunderson, in schickem Anzug und Fliege, stand in der Türöffnung, eine rote Ansteckblume im Revers. Del schaltete schnell die Musik aus.
»Wissen Sie, wie spät es ist?«, fuhr Gunderson fort.
Das wusste Carter sehr gut. Aber was, so fragte er sich, während er ein sauberes Tuch über das frisch abgetrennte Objekt legte, machte Gunderson noch hier?
»Ich komme gerade von einem Konzert in der Stadt«, erklärte dieser von sich aus, ehe Carter fragen konnte, »und in Anbetracht der ganzen Sicherheitsprobleme, die wir in letzter Zeit hatten, dachte ich, ich schau noch mal vorbei.« Er schritt zum Tisch herüber. »Und darüber bin ich sehr froh.«
Er warf einen Blick auf den Gipsabdruck und erfasste die Situation sofort. »Bei Ihnen«, sagte er zu Del, »erwarte ich nicht, dass Sie es besser wissen.« Dann wirbelte er zu Carter herum. »Aber Sie, wie können Sie nur so etwas Dummes tun?«
»Dies ist das beste Labor im Museum, und wir müssen mit der Arbeit vorankommen.«
»Unter den Augen der Öffentlichkeit?«
»Wir bedecken es und lassen es während der Öffnungszeiten des Museums niemanden sehen. Wir haben nur abends daran gearbeitet.«
Gunderson stieß einen wütenden Schnaufer aus und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Dr. Cox, ich weiß, dass das Page-Museum es für einen Glücksfall hält, Sie für diese Position gewonnen zu haben. Doch ich für meinen Teil hatte schon immer meine Bedenken. Ich habe mir die Ereignisse angesehen, die dazu geführt haben, dass Sie Ihren Fachbereich an der New York University verlassen haben, und ich war nicht gerade beruhigt. Ihre unorthodoxen Forschungsmethoden haben nicht nur zu einer verheerenden Laborexplosion geführt …«
Carter fragte sich, ob er jetzt etwa alle Details
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