Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
waren.
Beth setzte sich auf. Sie hatte das Gefühl, in ihrem Kopf würde etwas verrutschen. Auf al-Kallis Party hatte sie mehr getrunken als normalerweise. Es war so schwer gewesen, den Überblick zu behalten. Jedes Mal, wenn sie an einem ihrer Weingläser oder später im Garten am Likörglas nippte, war sofort ein Bediensteter aufgetaucht, der ihr diskret wieder nachgeschenkt hatte. Und die Auswahl an Weinen und Spirituosen war beträchtlich gewesen.
»Carter?«, fragte sie laut, in der Hoffnung auf eine Antwort. Ihre Stimme war kratziger als normal, selbst für das erste Wort am Morgen. Doch sie erhielt keine Antwort.
Sie schlüpfte in ihre Flip-Flops, zog den Morgenmantel an und machte sich auf, um nach Joey zu sehen. Und wer lag da mit offenen Augen auf dem Rücken und lächelte sie an? War das nicht das tollste Baby der Welt? Sie hatte so viele Horrorgeschichten über Koliken und Geschrei gehört, über Eltern, die monatelang keinen vernünftigen Schlaf bekamen. Aber sie hatte nichts von dem erlebt. Wenn es so einfach war, wollte sie unbedingt noch ein paar Kinder mehr.
Nachdem sie sich kurz gewaschen hatte, nahm sie Joey und Champ mit nach unten. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte hier jemand die ganze Nacht durchgearbeitet. Bücher und Papiere lagen überall verstreut auf dem Couchtisch und dem Fußboden. Auf den meisten der aufgeschlagenen Bücher und losen Blätter waren scheinbar planlos Post-its verteilt. Doch Carter war nicht dort, wo sie ihn zu finden erwartete, ausgestreckt auf dem Sofa, mit einem aufgeschlagenen Buch auf der Brust. Es wäre nicht das erste Mal und die Vermutung somit gar nicht so weit hergeholt, doch sie stellte fest, dass zwar die Lampe immer noch brannte, das Sofa jedoch leer war.
In der Küche setzte sie Joey in seinen Hochstuhl und öffnete die Tür, um Champ rauszulassen. Der Hund schoss davon wie eine Rakete, um ein paar Eichhörnchen oder Streifenhörnchen vom Grundstück zu jagen. Beth drehte sich zur Kaffeemaschine um. Direkt daneben, wo sie einander immer Nachrichten hinterließen, lag ein gelber Zettel von einem Notizblock, auf den Carter mit seiner kaum lesbaren Handschrift gekrakelt hatte: Bin im Büro. Rufe dich später an. Ich liebe dich.
Als das Wasser durch den Filter zu sickern begann, dachte sie Sonntag. Es ist Sonntag. Und er muss trotzdem zur Arbeit?
Natürlich verstand sie den Impuls. Wenn sie die Übersetzung des geheimen Briefes aus dem Buch Edens wilde Tiere nicht als Ausdruck hätte, den sie so ziemlich überall mit hinnahm, hätte es gut sein können, dass sie heute selbst ins Getty gefahren wäre. Wir sind schon ein feines Pärchen, dachte sie.
Sie hatte Joey beinahe fertig gefüttert und überlegte gerade, ob sie für sich selbst ein hartgekochtes Ei mit Vollkorntoast zum Frühstück machen sollte, als sie das knirschende Geräusch von Reifen auf der Auffahrt hörte. Wenn Carter zu Hause war, könnten sie vielleicht etwas Ausgefalleneres machen, wie Armer Ritter oder Blaubeerpfannkuchen. Das wäre wahrscheinlich auch nicht das schlechteste Gegenmittel bei einem leichten Kater.
Doch dann klingelte es an der Tür. Hatte er seinen Schlüssel vergessen? Beth ging zum Fenster und schob den Vorhang ein Stück zurück, um hinauszuspähen. In der Auffahrt stand ein matschbespritzter Pick-up-Truck mit riesigen Reifen.
Das konnte nur eins bedeuten.
»Wenn du noch im Bett bist, Bones, dann steh auf!«, rief Del von der vorderen Veranda.
Beth ließ den Vorhang los und öffnete die Tür.
»Huch«, sagte Del, als er sah, dass sie immer noch im Morgenmantel war. »Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«
»Überhaupt nicht. Carter ist nicht hier, aber komm doch rein.«
Del war für eine ordentliche Wanderung gekleidet, mit einer Armee-Hose, Wanderstiefeln und einem roten Kopftuch, das er um seine weiße Mähne gebunden hatte.
»Hallo, alter Junge«, sagte Del, als Champ angetrabt kam und warnend bellte. Er ging in die Hocke und streckte ihm den Handrücken entgegen. »Erinnerst du dich an mich?«
Champ musterte ihn argwöhnisch, blickte zu Beth hoch, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, und gestattete Del schließlich, ihm den Kopf zu kraulen. »Die Wunde heilt gut«, sagte Del, als er wieder aufstand.
»Möchtest du einen Kaffee?«, sagte Beth. »Ich habe gerade einen fertig.«
»Gerne.« Während Beth in die Küche ging, blieb Del stehen und sah sich im Wohnzimmer um. »Was ist denn hier passiert?«, fragte er. »Hat der Studienkreis
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