Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
Bestiariums.«
Carter spülte den Muffin mit einem halben Glas Saft herunter, ohne viel davon zu schmecken. »Das ist ein Therapsid, eine Art Reptil, das als direkter Vorfahr der Säugetiere gilt.«
»Wollen Sie damit sagen, ein Dinosaurier?«
»Nein, nein, dieses Tier war etwas anderes, es lebte vorher. Wir wissen nicht viel darüber, seine Knochen sind extrem schwierig zu finden, und die besten Fundorte liegen in der Karoo-Wüste in Südafrika, einem der lebensfeindlichsten Orte der Welt.«
Al-Kalli schenkte Carter Kaffee nach, ehe er sich selbst nahm. »Dann denken Sie nur, wie viel einfacher die Erforschung des Mantikors …«
»Des Gorgons«, verbesserte Carter ihn. »Von Gorgonopsia.«
Al-Kalli nickte und beließ es an dieser Stelle dabei. »Überlegen Sie nur, wie viel einfacher es sein wird, diesen Gorgonen in Fleisch und Blut und inmitten der Annehmlichkeiten von Bel Air zu erforschen. Ist das nicht genau die Art von Gelegenheit, die ein Mann wie Sie zu schätzen weiß?«
Und so war es. So etwas hätte Carter sich niemals ausmalen können – niemand hätte das. Das gesamte Szenario war von Anfang bis Ende buchstäblich unmöglich. Wie konnten Geschöpfe wie diese überlebt haben? Und wo? Wie konnten sie von nur einer einzigen Familie, wie wohlhabend und mächtig diese auch immer sein mochte, in einem Palast in der öden Wüste zusammengebracht und geschützt worden sein? Wie waren sie ausgerechnet nach Los Angeles in Kalifornien gekommen? In das Revier der Filmstars im oberen Teil von Bel Air? Nichts davon ergab irgendeinen Sinn. Beth hatte ihm ein paar Geschichten über den reichen und geheimnisvollen Clan der al-Kallis erzählt. Es gab unheimliche Gerüchte über ihre Unmenschlichkeit, ihre okkulten Kräfte, ihr Geschlecht, das so alt war, dass sich die Ursprünge im Nebel der Zeit verloren. Doch er hatte alles als Aberglaube und Altweibergeschwätz abgetan.
Mohammed al-Kalli, so hatte er ihr erklärt, war einfach nur ein Mann. Gewiss, ein Mann mit einem Batzen Geld, daran gab es nichts zu rütteln, aber er war und blieb nur ein Mann. Er war kein Zauberer, war nicht Prospero, und er war auch nicht Merlin.
Oder, und das war ein Gedanke, der ihn seit Stunden nicht mehr losließ, war er es doch?
»Ich kann Ihnen alles geben, was Sie für Ihre Arbeit hier möglicherweise benötigen«, sagte al-Kalli. »Sagen Sie, was Sie brauchen, und Sie bekommen es.«
»Im Moment kann ich noch nicht einmal diese Frage beantworten. Ich schätze, was ich vor allem brauche, ist einfach die Möglichkeit, noch einmal ins Bestiarium zu gehen und die Tiere mit eigenen Augen zu sehen.«
»Sie zweifeln an dem, was Sie gestern gesehen haben?«, fragte al-Kalli mitfühlend. »Das ist nur zu verständlich. Doch ich unterhalte hier keine Touristenattraktion. Ich hoffe, Sie verstehen mich, aber niemand, abgesehen von meiner Familie und einigen wenigen loyalen Bediensteten, hat das Bestiarium je gesehen.« Gewiss, dachte al-Kalli, er hatte diesem zwielichtigen Captain Greer gestattet, den Ort zu sehen, aber auf Greer konnte er verzichten, und zwar schon bald. »Wenn ich das gestatte, muss ich wissen, ob Sie bereit sind, mein Angebot anzunehmen.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. Der Saphirring fing das Sonnenlicht ein und glitzerte wie Eis. »Ich muss wissen, ob Sie mir helfen, die Tiere zu retten.«
Wie sollte Carter eine solche Herausforderung ablehnen? »Ich bin Paläontologe«, sagte er, »kein Tierarzt.«
»Ich habe einen Tierarzt, Rashid. Sie haben ihn bereits kennengelernt. Er hat die bestmögliche Ausbildung erhalten, aber er weiß nicht, was er noch machen soll. Die Tiere sind krank, sie sterben. Und er weiß nicht, wie er es verhindern kann.«
»Dann müssen Sie jemand anders finden, jemand Besseres, jemand, der über ein fundierteres Wissen verfügt.«
»Ich kann diese Tiere kaum einem ganz normalen Tierarzt vorstellen. Und selbst wenn, was wüsste er schon über sie? Nichts. Er würde nicht einmal wissen, was er da vor sich hat.«
»Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es weiß.«
»Ich setze großes Vertrauen in Sie«, sagte al-Kalli, »vielleicht sogar mehr als Sie selbst. Dies sind die letzten Exemplare der Menagerie. Als ich den Irak verließ, musste ich fast alles, was ich besaß, zurücklassen. Gott allein weiß, was Saddam und seine Truppen mit dem Rest angestellt haben. Nicht einmal das Buch, jenes Buch, das Ihre Frau jetzt für mich restauriert, konnte ich retten. Ich musste später
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