Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
improvisierte er. »Solange wir diese Knochen nicht irgendeiner Grabstätte der indianischen Ureinwohner anvertrauen wollen, muss ich bis aufs kleinste Ä-Tüpfelchen alles peinlich genau ausfüllen.«
»Es heißt, bis aufs I-Tüpfelchen«, verbesserte Del ihn.
»Ach ja. Stimmt.«
Del musterte ihn eingehend und schüttelte den Kopf. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein miserabler Lügner bist?« Er nippte an seiner Limonade, stellte sie anschließend wieder auf einem sicheren Platz am Boden ab, weit weg vom freigelegten Fossil. »Aber ich nehme an, du wirst mir die Wahrheit sagen, wenn du so weit bist.«
»Darf ich dich etwas fragen?«, sagte Carter und trat an den Tisch, um sich einen Überblick über Dels Arbeit zu verschaffen.
»Schieß los.«
»Wieso hast du gerade fast einen Herzschlag bekommen, als ich eingetreten bin?«
Del blickte nicht auf, doch er legte den Kopf ein wenig schräg, als sei er verlegen. »Nur so«, sagte er. »Es kann hier unten manchmal ein wenig unheimlich werden.«
Carter lachte. »Und das sagst ausgerechnet du? Der Mann, der bäuchlings durch Höhlen robbt? Der in Kasachstan allein auf Fossilbetten geschlafen hat?«
Del lächelte. »Also gut, dieser Kerl hier hat irgendetwas an sich«, sagte er und zeigte auf die vom Teer geschwärzten Knochen vor sich, »das einen nach einer Weile packt. Man hat das Gefühl, sein Geist würde einem über die Schulter schauen. Ein paarmal habe ich mich laut entschuldigt, wenn ich besonders kräftig am Gips oder Teer kratzen musste.«
»Hat er deine Entschuldigung akzeptiert?«
»Okay, das reicht«, erwiderte Del und stellte klar, dass er sich nicht aufziehen lassen würde. »Warum krempelst du nicht deine Ärmel hoch und hilfst mir?«
»Gerne«, sagte Carter und krempelte tatsächlich die weißen Hemdsärmel hoch.
»Du könntest damit anfangen, mir zu erzählen, was mit dem geheimnisvollen Gegenstand passiert ist.«
»Dem was?«
»Dem Gegenstand, den er in der Hand gehalten hat, als er starb. Ich kann nur annehmen, dass du ihn irgendwo sicher verstaut hast.« Del warf Carter über den Tisch hinweg einen Blick zu. »Du weißt doch, wo er ist, oder?«
Carter nickte, drehte sich um und fischte in seiner Tasche nach dem Schlüssel für das Vorhängeschloss. Doch als er ihn gefunden hatte, stellte er zu seinem Schrecken fest, dass er ihn nicht brauchte. Das Vorhängeschloss an der Schublade mit den Knochen der La-Brea-Frau, derselben Schublade, in der er den geheimnisvollen Gegenstand versteckt hatte, war offen und hing lose an dem Haken. Darum herum auf dem Metallschrank entdeckte er lange Kratzer.
Er entfernte das geöffnete Schloss und riss die Schublade auf. Ihm graute vor dem, was er darin finden, oder besser nicht finden würde.
Alles, was übriggeblieben war, war das weiße Taschentuch, in das er den Gegenstand gewickelt hatte, bevor er ihn hier versteckt hatte. Auch die Knochen samt Schädel waren verschwunden. Das Papier, mit dem die Schublade ausgelegt war, zeigte lediglich die schwachen Abdrücke der Skelettfragmente, die hier seit so vielen Jahren sicher gelagert waren.
Bis Carter sie gestört hatte.
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte Del hinter ihm. Von seiner Position aus konnte er nicht erkennen, dass die Schublade geplündert worden war. »Es war klar, dass du ihn niemals weit fort gebracht hättest.« Carter hörte, wie er eine neue Kassette in den Ghettoblaster einlegte.
Er war wie vom Donner gerührt und konnte sich einfach nicht vorstellen, wie das passiert sein konnte. Er stand da und starrte auf die leere Schublade, als könnte er dadurch die Knochen wieder herbeizaubern. Als könnte er sie allein durch Willenskraft zurück in die Schublade befördern, wo sie hingehörten.
Die neue Kassette lief an, Johnny Cash dieses Mal. Del hatte sich wieder an die Arbeit an den Knochen des La-Brea-Mannes gemacht. »Bring es her«, sagte er ausgelassen. »Lass uns ein für alle Mal das Rätsel des geheimen Steins lösen.« Dels Theorie besagte, dass es sich als ein heiliges Artefakt oder etwas in der Art entpuppen würde.
Carter wusste nicht, was er tun oder sagen sollte.
»Carter? Alles in Ordnung?«, fragte Del schließlich.
»Alles weg«, murmelte Carter.
»Was ist weg? Der Stein?« Schon stand Del neben ihm und starrte in die offene Schublade.
» Alles ist weg«, sagte Carter.
»Was war es? Was wurde hier drin aufbewahrt?«
»Die La-Brea-Frau.«
»Himmel«, sagte Del, als er die ganze Tragweite von
Weitere Kostenlose Bücher