Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
kurzen Blick zu, der den dröhnenden Motor gestartet und einen Gang eingelegt hatte.
»Wohin, Boss?«
»Bel Air«, sagte Carter.
»Ja, klar. Und wohin in echt?«
»In echt.«
Del merkte, dass er es ernst meinte. »Das Geheimnis wird ja immer besser.«
Als sie vom Parkplatz fuhren, kurbelte Carter das Fenster herunter. Um die Straßenlaternen am Wilshire Boulevard waren rote, weiße und blaue Wimpel gewickelt, die in der Brise flatterten und raschelten. Hinter einem Schleier aus dünnen Zirruswolken brannte die helle Sonne herunter. Carter überlegte, inwieweit und ob überhaupt er Del einweihen durfte, sobald sie zum Anwesen von al-Kalli kamen. Es gab keinen Grund, ihm irgendetwas von dem eigentlichen Bestiarium zu erzählen oder gar, es ihm zu zeigen. Klar, er würde neugierig sein, aber Carter hatte ihn bis jetzt hinhalten können, und vielleicht, nur vielleicht, würde er Mohammed al-Kalli persönlich über den Weg laufen und könnte ihn überzeugen, dass Del ein vertrauenswürdiger und sehr geschätzter Kollege sei, dessen Ratschläge und Empfehlungen den Tieren möglicherweise sehr von Nutzen sein könnten. Das wäre in jeder Hinsicht die beste Lösung, obgleich es ziemlich unwahrscheinlich schien.
Auf den Straßen herrschte nicht viel Verkehr, doch zweimal mussten sie anhalten, um Löschzüge der Feuerwehr passieren zu lassen, die mit heulenden Sirenen an ihnen vorbeirasten. In der Ferne hörte Carter weitere Sirenen. Über den Straßen lag eine beklemmende Ruhe, eine Stimmung, an die Carter sich aus dem Mittleren Westen erinnerte, wenn ein Tornado angekündigt war. Er schaltete das Radio ein, und die jammernden Töne einer Bluegrass Band kamen aus den leistungsstarken Lautsprechern. Hastig wechselte Carter zu einem Nachrichtensender. Der Moderator sagte gerade etwas über einen Brand, der fünfzig Meilen südlich von Los Angeles, in der Nähe von Claremont, ausgebrochen sei. »Im San Bernadino County wurden alle Feuerwehren für den vierten Juli in Alarmbereitschaft versetzt«, sagte der Moderator, »und leider sieht es so aus, als würden sie nicht nur müßig herumsitzen.«
Zumindest waren diese Brände weit weg. Doch selbst hier lag ein leicht bitterer Geruch in der Luft, als Del den Wagen in Richtung Bel Air lenkte.
Carter wühlte in seiner Tasche nach dem Handy, um Beth anzurufen. Inzwischen müsste sie zu Hause in Sicherheit sein, aber er wollte es genau wissen. Er wählte, konnte jedoch kaum das Klingelzeichen hören. Er versuchte es erneut, erst dann überprüfte er den Akku. Er war fast leer. War der Empfang unten im Museum deswegen so schlecht gewesen? Er hatte immer gedacht, es läge an dem Ort.
»Rufst du Beth an?«
»Mein Akku ist alle.«
»Ich wünschte, ich könnte dir aushelfen«, sagte Del. »Aber wie du weißt, habe ich nicht einmal ein Handy.«
Und ob Carter das wusste. Del sagte immer, wenn er nicht in der Nähe eines Telefons war, dann wollte er auch nicht in der Nähe eines Telefons sein.
»Soll ich irgendwo bei einer Telefonzelle anhalten?«
»Nein, es geht schon«, sagte Carter. »Wir liegen gut in der Zeit. Fahr einfach weiter.« Je eher er bei al-Kalli ankam und sich vergewissert hatte, dass alles in Ordnung war und vielleicht die Luftfilter neu eingestellt hatte, desto eher wäre er wieder zu Hause. Ein schöner Feiertag war das.
An den Toren zu Bel Air stauten sich mehrere teure Wagen, die darauf warteten, auf den verstopften Sunset-Boulevard einbiegen zu können. Carter hatte noch nie mehr als einen einsamen Rolls-Royce oder Jaguar hier warten sehen.
»Freunde von dir?«, fragte Del, als er den Truck an einem Bentley vorbeilenkte, in dem ein älteres Ehepaar saß und zwei große Pudel ihre Schnauzen aus den hinteren Fenstern steckten.
»Schon seit dem Kindergarten.«
»Soll ich einfach weiterfahren?«, fragte Del, und Carter antwortete: »Jupp. Ganz bis nach oben.«
Del schnalzte mit der Zunge. »Du bewegst dich echt in den richtigen Kreisen, Bones.«
Carter gab keine Antwort.
»Aber willst du mir nicht erklären, warum wir hier hochfahren?«, sagte Del.
Carter merkte, dass er ihn nicht länger hinhalten konnte.
»Da oben wohnt ein Mann namens Mohammed al-Kalli. Ich arbeite gewissermaßen für ihn.«
»Schwarzarbeit?«, sagte Del mit einem verwirrten Lächeln. »Was machst du genau?«
»Er ist eine Art … Hobby-Naturforscher.«
Del lachte. »Ein Naturforscher? Komm schon, Bones, seit hundert Jahren nennt sich niemand mehr Naturforscher. Da musst du dich
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