Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
Gipskuppel, unter der jetzt der Schädel ruhte. Er versuchte, nicht direkt hinzuschauen, doch von Schädeln ging eine ganz besondere Wirkung aus, die es schwierig machte, sie zu ignorieren, selbst für Carter. Als er jetzt hinsah, hatte er den Eindruck, das Gesicht sei tatsächlich zum Zeitpunkt des Todes dem Himmel zugewandt gewesen. Es schien, als habe er, flach auf dem Rücken liegend, vor dem Teer kapituliert und sich selbst den Tieren dargeboten, die gekommen waren, um ihn zu töten.
War ihm schlicht die Kraft ausgegangen, und der heiße Teer hatte ihn festgehalten? Hatte er einfach aufgegeben und sich seinem Schicksal gefügt? Oder hatte er, aus irgendeiner primitiven Empfindung heraus, seinen Körper und seinen Geist dem geopfert, was er als den Kreis des Daseins erkannt hatte?
»He, das könnte interessant sein«, rief Del und zog das »interessant« dabei in die Länge.
Del, der so etwas wie der inoffizielle Stellvertreter Carters war, arbeitete ein paar Schritte links von ihm, in dem Bereich, in dem die Hand liegen könnte.
Ein Laie würde darin lediglich einen teerbedeckten Felsklumpen erkennen, doch für Del oder Carter war es mehr als das. Der Klumpen hatte eine ganz besondere Form, eine vom Menschen geschaffene Form, und sie schien sich genau an die Handfläche zu schmiegen.
»Sieht aus, als sei ihm das wichtig gewesen«, sagte Del, und Carter war ganz seiner Meinung. Er rutschte näher heran. Es könnte eine Waffe gewesen sein, die er in seinem letzten Kampf eingesetzt hatte. Oder einfach der letzte Gegenstand, den seine Finger umschlossen hielten, als er seinen letzten Atemzug tat.
Oder es war etwas, das der Mann sehr geschätzt hatte.
Carter hatte keine Zeit mehr, die Möglichkeiten durchzugehen, da jetzt von der anderen Seite der Grube jemand rief. »Hey! Wir haben etwas!«
Carter drehte sich um und hörte ein schrilles Winseln vom Generator auf dem Bohlengang, als die Zugketten sich spannten.
Alle anderen Arbeiter hielten inne, nahmen die Schutzbrillen ab und warteten. Die Zugkette mit der Stahlklaue am Ende war bis zu einer Tiefe von siebeneinhalb Metern oder sogar noch mehr untergetaucht. Der Maschinist, dessen nasses T-Shirt ihm am Leib klebte, winkte einem anderen Feuerwehrmann zu, der außerhalb der Grube stand.
Der Generator rumpelte los, die Kette spannte sich erneut und begann schließlich langsam zu ziehen.
»Irgendwas haben wir, so viel ist schon mal sicher«, sagte der Maschinist und starrte in den jetzt aufgewühlten Teer. Methangasblasen klebten wie Pocken an der pechschwarzen Oberfläche.
Carter ging um die anderen Arbeiter herum zu dem Grubenabschnitt, in dem Geronimo versunken war. Die Kette zog immer noch irgendetwas nach oben, und Carter ertappte sich zu seiner Beschämung dabei, dass er sich sorgte, ob es womöglich ein unschätzbares Fossil war, das jetzt einen irreparablen Schaden erlitt. Glück gehabt, dachte er, dass die Medien einem nicht in den Kopf schauen konnten.
»Warte mal kurz«, brüllte der Maschinist. »Da hat sich was verhakt.«
Der Typ oben machte ein Zeichen, und der Maschinist beugte sich tatsächlich über die Grube und schüttelte auf die altmodische Art an der schweren Kette, ehe er den Generator wieder anschmiss. Eine winzige Rauch- oder Dampfwolke stieg aus dem Ventil oben auf dem Gerät aus.
»Und das hilft?«, rief Carter dem Mann über das Winseln hinweg zu.
»Immer«, sagte er, ehe er wieder in die Grube blickte.
Carter sah ebenfalls hin, als die Kette, in schwarzen Asphalt gehüllt, weiter hochgezogen wurde. Der Feuerwehrmann wirkte zufrieden, wie ein Fischer, der gerade einen richtig großen Fang gemacht hatte. Carters Gefühle dagegen waren gemischter. Er wäre erleichtert, falls es wirklich so weit sein sollte, doch zugleich graute ihm vor dem gruseligen Anblick, der sich ihnen wahrscheinlich bieten würde.
»Okay, jetzt muss er jeden Moment kommen«, rief der Maschinist, während er die rasselnde Kette beobachtete. So teerverschmiert, wie sie war, konnte Carter nur raten, woher er wusste dass die Klaue demnächst auftauchen würde. Über die Grube hinweg sah Carter Del. Sein weißes Haar wehte jetzt offen in der nachmittäglichen Brise, als er erwartungsvoll zusah.
Und dann tauchte etwas aus dem Schlamm auf. Etwas, das in der Klaue des Baggers gefangen war.
Ein schmaler Gegenstand, der zwischen zwei der Zacken eingeklemmt war. Carter beugte sich weiter vor. Was war das?
Langsam bewegte sich die Kette noch ein paar Zentimeter
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