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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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erleichtert, als hätten sie sich wieder auf sicheres Terrain begeben. Max fängt ihren Blick auf, und sie spürt, wie sie errötet. Doch dann ruiniert ihr Magen alles, indem er ein vernehmliches Knurren von sich gibt.
    «Möchtest du etwas essen?», fragt Max. «Die kochen hier ziemlich gut.»
    Ruth nickt eifrig.

    Als Ruth wieder zum Salzmoor kommt, ist es bereits stockdunkel. Sie fährt langsam: Die Straße hat tiefe Gräben auf beiden Seiten, eine falsche Bewegung des Lenkrads genügt, um im finsteren Abgrund zu landen. Im Nichts. Das flache Sumpfland wurde vom nächtlichen Dunkel verschluckt, Ruths Scheinwerfer sind die einzige Lichtquelle weit und breit. Ob der Rest der Welt wohl verschwunden ist? Manchmal fühlt es sich fast so an. Sie gleitet in ihrem Kreis aus Licht dahin, während das Radio leise und beruhigend auf sie einredet.
    Ihr Häuschen liegt im Dunkeln, doch als sie das Gartentor öffnet, wird ihr ungepflegter Vorgarten urplötzlich in grelles weißes Licht getaucht. Nach dem Lucy-Downey-Fall hat Nelson darauf bestanden, dass sie sich ein Sicherheitslicht mit Bewegungsmelder einbauen lässt. Ruth findet es schrecklich. Immer wieder wacht sie mitten in der Nacht auf, weil ein Fuchs durch den Garten geschlichen ist und den Scheinwerfer ausgelöst hat. Die Dunkelheit stört sie nicht weiter, doch das Licht macht ihr häufig Angst.
    Zum Glück kommt Flint ihr gleich laut schnurrend entgegen. Seit Sparky, ihre zweite Katze, nicht mehr lebt, malt Ruth sich immer automatisch das Schlimmste aus, wenn Flint nicht sofort zu sehen ist, sobald sie die Haustür aufschließt. Wie er es wohl finden wird, meine Aufmerksamkeit plötzlich mit einem Baby zu teilen?, überlegt sie, während sie seinen Fressnapf mit Katzenfutter füllt. Der Gedanke an ein Baby in diesem Haus geht nach wie vor über ihr Vorstellungsvermögen. Vom Kopf her weiß sie, dass sie schwanger ist und in etwa sechs Monaten ein Kind haben wird. Und dennoch ertappt sie sich immer wieder dabei, wie sie darüber nachdenkt, wohin sie nächstes Jahr in Urlaub fahren könnte und ob sie nicht doch ein Freisemester nehmen und zu Ausgrabungen auf die Jungferninseln fahren soll. Da habe ich längst das Baby, sagt sie sich dann, doch ihre Phantasie kommt damit einfach nicht zurecht. Sie hat schon genug mit dem Schwangersein zu tun – der Gedanke an das fertige Kind ist im Augenblick einfach zu viel für sie.
    Eigentlich hat sie gehofft, dass es realer würde, wenn sie ihren Eltern davon erzählt, doch deren melodramatische Reaktion lässt alles nur noch abwegiger erscheinen. Hat ihr Vater wirklich gepoltert: «Ich werde den Schurken umbringen!»? Das kann doch eigentlich gar nicht sein. Und hat ihre Mutter tatsächlich geweint und verkündet, damit würden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr? Hat sie Ruth tatsächlich vorgeworfen, nun die Quittung für ihr zügelloses Leben zu bekommen? Derartige Äußerungen gibt es doch sonst nur im Film, nicht im richtigen Leben. Doch da ihre Eltern regelmäßig in die Kirche gehen, ist es für sie ganz normal, von Tod, Vernichtung und der Sünde Lohn zu reden. Ruth hält sich da lieber an nüchtern dargestellte, wissenschaftliche Fakten. Sie hat solchen Reden einfach nichts entgegenzusetzen.
    Bald wird sie Phil informieren müssen. Sie kann nicht zulassen, dass ihre Kollegen sich in Mutmaßungen ergehen, ist aber überzeugt, dass Trace aller Welt davon berichten wird, wie Ruth Galloway sich auf dem Baugrundstück übergeben hat. Phil wird gut reagieren, da ist sie sich sicher. Er ist ein moderner Mann und gibt immer damit an, dass er Windeln wechselt und im Haushalt hilft. Neuerdings hat er allerdings eine Affäre mit Ruths Freundin Shona, was seinem Image als perfekter Ehemann und Vater nicht sonderlich guttut. Doch das darf Ruth offiziell gar nicht wissen. Sie wird Phil alles erzählen und sich anschließend damit befassen, ihren Mutterschaftsurlaub zu organisieren. Vielleicht begreift sie dann ja endlich, dass sie tatsächlich ein Baby bekommt.
    Aus irgendeinem Grund hat sie schon wieder Hunger und stöbert in der Küche nach ein paar Keksen. Dann setzt sie sich an den Schreibtisch, um ihre Mails zu checken, klickt sich durch flehentliche Bitten ihrer Studenten um mehr Zeit für ihre Seminararbeiten, angeblich lustige Witzchen, die ein Kollege aus dem Fachbereich Chemie ihr ständig schickt, und die neuen Belegungspläne für das kommende Semester. Nicht zu fassen, dass sich das akademische Jahr schon wieder dem

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