Knochenjagd (German Edition)
machen kann – und bekam Mitleid mit dieser kindlich wirkenden jungen Frau auf dem Bett.
Während sich Devereaux mit einer Gründlichkeit schnäuzte, die ich bewundern musste, bewegte ich mich unauffällig in Richtung des Durchgangs, um mir den Wandschrank genauer anzusehen. Ich bemühte mich, so diskret wie möglich zu sein. Doch unserer feindseligen Gastgeberin entging mein Vorhaben nicht.
»Was zum Teufel treibt die da?«
»Beachten Sie sie gar nicht«, sagte Ollie.
»Von wegen, nicht beachten. Ich mag’s nicht, wenn Fremde in meiner Unterwäsche schnüffeln.«
»Ms. Forex hat im Wandschrank eine Reisetasche abgestellt«, sagte ich. »Wir sind berechtigt, sie zu durchsuchen.«
Die Neonblauen schnellten zu mir. Ihre Wimpern waren gebogen – vielleicht die längsten, die ich je gesehen hatte.
»Ms. Forex«, näselte Aurora höhnisch, »hat die Hirnleistung eines Salamibrötchens.«
»Sie war sehr freundlich zu Ihnen.«
Die schweren Brauen schossen überrascht in die Höhe. »So würden Sie das nennen? Freundlichkeit? Ich bin ihr neuestes Mitleidsprojekt.«
»Mitleidsprojekt?«
»Nimm die Entstellten auf und mach ihnen das Leben zum Paradies.«
»War Annaliese Ruben entstellt?« Mein Mitleid verlor gegen meine Antipathie.
»Sie war nicht Miss America«, schnaubte Devereaux, ein hässliches, antihistaminfeuchtes Geräusch.
»Sie kannten sie?«
»Ich hab von ihr gehört.«
»Wo ist die Tasche?« Kurz angebunden. Ollie verlor jetzt ziemlich schnell die Geduld.
»Keine Ahnung.«
»Geben Sie sich einen Ruck, Aurora.«
»Ohne Durchsuchungsbeschluss kriegen Sie rein gar nichts.«
»Ich versuche, an Ihre gute Seite zu appellieren, mein Fräulein.«
»Ich habe keine gute Seite.«
»Na gut. Dann versuchen wir’s anders. Eine Vermieterin hat illegale Substanzen auf ihrem Grundstück gemeldet. Wie wär’s, wenn wir die Bude auf den Kopf stellen und mit der da anfangen?«
Ollie hob eine Schultertasche vom Boden neben dem Bett auf. Das Ding schimmerte metallisch und hatte genug Fransen, um Dale Evans verlegen zu machen.
Devereaux beugte sich in der Hüfte vor und ließ den Arm vorschnellen. »Geben Sie die her!«
Ollie hielt die Tasche knapp außerhalb ihrer Reichweite.
»Mistkerl.«
Lächelnd schwenkte Ollie die Tasche wie ein Pendel.
»Mistkerl.«
Ollie zeigte auf den Morgenmantel.
»Umdrehen!«
Ryan und ich taten es. Ollie nicht.
Ich hörte eine Bewegung, das Rascheln von Stoff und dann einen dumpfen Schlag, als die Tasche auf dem Bett landete.
»Ausgezeichnet.«
Als Ollie das sagte, drehten Ryan und ich uns um.
Devereaux saß zur Seite gedreht, die Unterschenkel baumelten vom Matratzenrand, ohne dass die Zehen den Teppich berührten. Sie trug den Morgenmantel und die Leck-mich-Schnute von zuvor.
Ollie wiederholte seine Frage: »Wo ist die Tasche?«
»Ablage im Wandschrank.«
»Ich glaube, Sie sollten jetzt ein bisschen packen.«
»Lieber fresse ich Hundescheiße, als noch einen Tag in diesem Loch hier zu verbringen!«
Die Tasche an die Brust gedrückt, rutschte Devereaux nach vorne und glitt vom Bett. Sie schnappte sich Shorts und ein Top aus dem Durcheinander im Schrank, ging ins Bad und knallte die Tür zu.
Ryan, Ollie und ich waren ihr dicht auf den Fersen.
Der Wandschrank war eine winzige Kammer mit einer langen, kopfhohen Querstange an einer Wand und zwei nebeneinander befestigten kürzeren an der anderen. Kleider, Oberteile und Röcke hingen an Bügeln, die meisten in grellen Farben und mit viel Glitzer.
Auf dem Boden häuften sich knöcheltief Schuhe und Schmutzwäsche. Letztere füllte die Kammer mit einem schweißigen, sirupartigen Geruch. Oben verlief eine Ablage übereck, die zum Bersten gefüllt war. Rollen von Toilettenpapier und Papiertüchern. Schuhkartons. Ein Drucker. Ein Mixer. Ein Ventilator. Plastikbehälter, deren Inhalt ich nicht erkennen konnte.
In der Ecke, wo das lange Brett der Ablage auf das kurze stieß, entdeckte ich die Reisetasche. Sie war aus olivgrünem Polyester mit schwarzen Henkeln und einer Reißverschlusstasche auf der Vorderseite. Ich stapfte durch das Gewirr aus Billigst-Chic und schob die hängenden Sachen auseinander. An der Fußleiste lag eine Trittleiter. Als ich danach griff, fiel mir etwas ins Auge, das von einem großen Koffer halb verdeckt wurde. Mein Puls beschleunigte sich.
Später.
Nachdem ich mich aus den Klamotten wieder befreit hatte, brachte ich die Leiter in Position. Ryan hielt sie fest, während ich die Sprossen
Weitere Kostenlose Bücher