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Knochenjagd (German Edition)

Knochenjagd (German Edition)

Titel: Knochenjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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versuchte ich, das Bündel zu öffnen, ohne Schaden anzurichten.
    Die Welt wurde totenstill. Ich drehte das Bündel zur Seite.
    Die Knochen waren klein und braun und umgaben einen fragmentierten Schädel.
    »Mein Gott!«
    Ich schaute hoch.
    Ollies Gesicht war kreidebleich. Mir wurde bewusst, dass er die anderen toten Babys nicht gesehen hatte.
    So behutsam wie möglich wickelte ich das Handtuch wieder zusammen.
    »Das ist das Vierte, soweit wir wissen.« Mit der Taschenlampe beschrieb Ryan noch eine letzte Runde durch den Hohlraum.
    »Diese mörderische Schlampe hat eine Spur toter Babys von Quebec bis nach Alberta hinterlassen! Und wir können sie nicht finden?« Von Abscheu getrieben, sprach Ollie viel zu laut.
    Ryan stand auf. »Wir finden sie.«
    Ich erhob mich ebenfalls und legte Ollie beruhigend die Hand auf die Schulter.
    »Rufen wir den ME «, sagte ich.

15
    Um halb zwei standen Ryan und ich in Laborkluft vor einem Edelstahltisch zusammen mit Dr. Dirwe Okeke, der erst seit Kurzem für den ME von Alberta arbeitete. Okeke hatte die Vorarbeiten abgeschlossen – Fotos, Röntgenaufnahmen, Messungen, Beschreibung des äußerlichen Anscheins. Ich hatte mit einem trockenen Pinsel die Knochen ein wenig gesäubert und anatomisch korrekt angeordnet.
    Okeke sah nicht gerade aus wie ein Pathologe, eher wie ein Footballspieler. Aus der Highschool-Mannschaft. Die Eltern der gegnerischen Mannschaft hätten wohl kaum nach einer Geburtsurkunde verlangt. Er war ungefähr eins neunzig und wog deutlich über einhundertdreißig Kilo. Hätte ich ihn auf der Straße gesehen, hätte ich ihn auf achtzehn Jahre geschätzt.
    Als ich im Büro des ME anrief, hatte eine Telefondame sich meine Geschichte angehört und mich dann zu Okeke durchgestellt. Er hatte mich nicht unterbrochen, als ich mich vorstellte und ihm von den toten Babys in Quebec und dem in Susan Forex’ Haus berichtete.
    Wie erwartet hatte Okeke es vorgezogen, sich den Fundort persönlich anzusehen. Er kam in einem SUV, auf dessen Fahrersitz ein Wal Platz gehabt hätte. In einem Transporter folgten zwei Techniker.
    Als Devereaux Okeke sah, verwandelte sich ihre Aufsässigkeit blitzartig in Unterwürfigkeit. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Der gute Doktor sah aus, als entstamme er einer anderen Spezies. Er groß und dunkel, sie klein und blass. Ohne sich zu bewegen oder etwas zu sagen, schien Okeke ihr winziges Zimmer zum Bersten zu füllen.
    Okeke hatte ein paar Fragen gestellt und schweigend die Knochen betrachtet. Dann hatte er Devereaux befragt, die schwor, sie wisse rein gar nichts. Sie habe Ruben nie persönlich kennengelernt, nie einen Grund gehabt, die Abdeckung von der Schrankwand zu nehmen.
    Auch Forex wusste nichts. Behauptete sie zumindest. Ihre schockierte Miene deutete darauf hin, dass sie tatsächlich die Wahrheit sagte.
    Ollie hatte gewartet, bis Devereaux ihre Kostbarkeiten aus dem Wandschrank in einem zweiten Koffer verstaut hatte, dann fuhr er sie in ein Frauenhaus. Ich vermutete, die Geste war ein wenig dem Mitleid geschuldet, hauptsächlich aber seinem Wunsch, engeren Kontakt mit den Knochen eines Neugeborenen zu vermeiden.
    Ryan, Okeke und ich hatten zugesehen, wie die Techniker die Öffnung mit einer Motorstichsäge vergrößerten und dann den Hohlraum absuchten. Bis auf ein Nest aufgeschreckter Kakerlaken erbrachten ihre Bemühungen nichts.
    Während die Techniker den Fundort fotografierten und bearbeiteten, fuhr Okeke die Überreste im SUV in die Leichenhalle. Ryan und ich fuhren mit ihm ins ME -Institut an der Hundertsechzehnten. Unterwegs erfuhren wir, dass Okeke aus Kenia stammte und in Großbritannien Medizin studiert hatte. Und das war’s dann. Der Kerl war nicht sehr gesprächig.
    Und jetzt standen wir hier.
    Wie bei dem Baby vom Dachboden in Saint-Hyacinthe war auch von diesem Kleinkind nichts übrig außer einem Skelett und Fragmenten vertrockneten Gewebes. Ohne das Fleisch, das ihn zusammenhielt, war der Schädel auseinandergefallen. Die einzelnen Schädelknochen lagen ausgebreitet da wie eine Illustration aus einem Anatomiebuch.
    »Bitte erläutern Sie mir das.« Okekes Stimme war tief, sein Massai-Mara-Zungenschlag überlagert von Jahren britischer Ausbildung.
    »Das Baby war zum Zeitpunkt seines Todes mindestens sieben Schwangerschaftsmonate alt.«
    »Nicht voll ausgetragen?«
    »Hätte auch sein können. Falls ja, wäre es ausgesprochen klein gewesen. Aber der Fötus war eindeutig lebensfähig.«
    Während ich meine Messungen und

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