Knochenjagd (German Edition)
deinem Arsch ist es heller als in deinem Hirn.«
Wir redeten wenig während der Fahrt zum Flughafen, des Eincheckens und der kurzen Wartezeit am Gate. Durch reinen Zufall durften wir termingerecht an Bord gehen. Allerdings hatte mich ein böswilliger Gott neben Ollie gesetzt.
Wir schnallten uns eben an und schalteten unsere Handys aus, als die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern kam. Ich wusste sofort, dass er keine guten Neuigkeiten hatte.
Technisches Problem. Dreißig Minuten Verspätung.
»Heilige Mutter Gottes. Warum starten diese Flieger eigentlich nie pünktlich?«
Da eine Antwort sinnlos wäre, sagte ich nichts.
»Wenn’s nicht das Wetter ist, dann stimmt was mit der Maschine nicht, oder die Crew ist verschwunden oder sonst irgendwas.«
Ich versuchte es erst gar nicht mit einer scharfsinnigen Erwiderung, sondern schlug einfach meinen Roman von Ian Rankin auf und fing an zu lesen. Sergeant Sensibel verstand den Wink nicht.
»Scar ist schon ’ne Marke, was?«
Ich hielt den Blick auf mein Buch gesenkt.
»Wir glauben, er versucht zu expandieren, seine Ware nach Norden in die Territories zu bringen.«
Ich blätterte um. Verdammt. Inspector John Rebus würde mir wirklich fehlen.
»Der Mistkerl ist schlauer, als er aussieht. Hält immer einen Anwalt zwischen sich und der Straße. Wir konnten ihm noch nie was anhängen.«
Keine Reaktion.
Ollie gab es nun auf, mit meinem rechten Ohr zu sprechen. Einige Minuten vergingen, in denen er die Sicherheitshinweise und das On-Board-Magazin durchblätterte. Dann steckte er beide mit einem theatralischen Seufzen wieder ins Netz.
»Ich glaube, Scar weiß mehr über Ruben, als er sagt.«
Das erregte meine Aufmerksamkeit. Ich klappte das Buch zu und drehte mich zur Seite.
»Weiß du noch, wie der Kerl zu seinem Namen kam.«
»Er hat ein Mädchen gebrandmarkt.«
»Es heißt, er hätte sie bis nach Saskatoon verfolgt. Wollte das als Warnung verstanden wissen.«
»An wen?«
»An jede, die daran denkt, bei ihm auszusteigen.«
»Ruben verließ Edmonton vor drei Jahren. Warum sollte er so lange warten?«
»Montreal ist groß. Und weit weg. Ruben änderte ihren Namen und hielt sich so bedeckt, dass Scars Radar sie nicht erfassen konnte. Jetzt ist sie wieder in seinem Revier. Und da ist noch ein Detail, das ich euch noch nicht erzählt habe.«
Ich wartete.
»Scar ist aus Yellowknife.«
»Woher weißt du das?«
»Wir versuchen seit Jahren, den Mistkerl festzunageln. Wir wissen es einfach.«
»Du glaubst, er hat es auf Ruben abgesehen?«
»Es heißt, Scar hat vor, hier oben mitzumischen. Und dazu muss er zeigen, dass er mit harten Bandagen kämpft.«
Kälte kroch in meinen Bauch. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Warum dieses ungute Gefühl? Angst um Rubens Sicherheit? Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte die Frau ihre eigenen Babys umgebracht. Und ihre Leichen entsorgt, ohne sich noch einmal umzusehen.
Oder doch nicht? War es Rubens Entscheidung gewesen? Hatte es jemand anderes getan oder sie dazu gezwungen? In Montreal konnte Scar es nicht gewesen sein. Wer dann? Und half diese Person ihr jetzt?
Nichts ergab einen Sinn.
Forex und Scar sagten beide, dass Ruben nicht sehr intelligent war. Und doch hatte sie es auf eigene Faust nach Quebec geschafft und dort unerkannt drei Jahre gelebt. Sie hatte ihre Schwangerschaften versteckt und mindestens vier Babys auf die Welt gebracht und ermordet. Sie war der Sondereinheit des Project KARE entkommen. Sie war der RCMP und der QPP entkommen und tat es auch weiterhin.
Wie? Ein komplexes Unterstützernetzwerk? Ein einzelner Partner? Straßenklugheit? Reines Glück?
Ich wandte mich zu Ollie. »Scar sagte, du hättest absolut keinen Schimmer. Was hat er damit gemeint?«
»Braggadocio.«
»Nettes Wort.«
»Ich hab mir eine App runtergeladen, die mir jeden Tag ein neues schickt. Heißt übrigens Angeberei.«
»Hat man dir schon ›keinen Schimmer‹ geschickt?« Ich malte Anführungszeichen. Ich fand das absolut nicht lustig.
»Ein Ablenkungsmanöver. Scar will auf keinen Fall, dass ich seinen Arsch durchleuchte.«
»Er hat das zweimal gesagt.«
»Vielleicht schicke ich ihm einen Link für die App.«
Um 22 Uhr 15 starteten wir endlich. Und wir sollten nie erfahren, welche mysteriöse Unpässlichkeit die Maschine befallen hatte.
Meine einzige Erinnerung an den Yellowknife Airport ist ein ausgestopfter Eisbär, der über der Gepäckabholung thronte. Ansonsten sehr viel Leere. Vor dem Terminal fegte
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