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Knochenjagd (German Edition)

Knochenjagd (German Edition)

Titel: Knochenjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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servierte Eier. Oder bereitete sich darauf vor. Eine Frau stellte Edelstahlwannen auf eine Reihe leinenbedeckter Tische an einer Wand. Als sie meine Schritte hörte, drehte sie sich um und deutete zu einem Zweiertisch in der Fensterreihe. Auf ihrem Namensschild stand Nellie.
    Nellie hatte schwarze Haare, die sie zu einem langen Zopf geflochten hatte. Ihre Baumwollbluse und der lange weiße Rock verhüllten einen Körper, der sich am Bauplan eines Lastwagens zu orientieren schien.
    Ich setzte mich an den zugewiesenen Platz und suchte nach der Speisekarte. Da ich keine fand, lehnte ich mich zurück und schaute mich um.
    Nellie und ich waren nicht die einzigen Frühaufsteher. Zwei Männer saßen an einem Tisch neben einem jetzt kalten, kreisrunden Kamin mit kupfernem Aufsatz. Beide trugen Jeans, Stiefel und karierte Hemden und hatten Bärte, die dringend gestutzt werden mussten.
    Nellie verschwand und kam Augenblicke später mit einer stählernen Kaffeekanne und einem Becher aus dickem Porzellan wieder.
    »Tut mir leid. Das Buffet macht erst um sieben auf.« Nellie hob fragend die Kanne. Ihre breiten Wangen und die kupferfarbene Haut deuteten auf indigene Abstammung hin.
    »Ja, bitte.«
    Nellie goss mir den Becher voll und stellte ihn mir hin. »Ich kann ihnen was zum Frühstück machen, solange es was Einfaches ist.«
    »Eier und Toast wären klasse.«
    »Rühreier.«
    »Ja.«
    Nellie stapfte davon.
    Ich nippte an meinem Kaffee. Der so stark war, dass der Löffel darin stehen blieb.
    Mein Blick wanderte zum Fenster. Hinter der Scheibe sah ich eine Art Zen-Garten. Steinhaufen, dürre Pflanzen, die aus einer Kiesfläche sprossen, Wasserschläuche, die sich über den Boden wanden. Ich konnte nicht sagen, ob das Projekt noch im Entstehen war oder bereits wegen Vernachlässigung verfiel.
    Am Rand des Steingartens kreisten zwei riesige schwarze Vögel über einer Gruppe surreal hoher Tannen. Während ich ihrem trägen Kreisen zuschaute, wanderten meine Gedanken wieder zu dem Traum.
    Warum hatte Katy nicht angerufen?
    Ich checkte, ob mein iPhone Empfang hatte. Vier volle Balken. Aber keine Voicemail und keine SMS von meiner Tochter.
    Ich überflog die E-Mails. Vierundzwanzig, seit ich Edmonton verlassen hatte. Die meisten ignorierte oder löschte ich. Rechnungen. Werbung für Penisvergrößerungen, Medikamente, Hautprodukte, Ferienhäuser. Angebote für absolut risikolose Auslandsinvestitionen.
    Pete hatte mir eine kurze Nachricht geschickt, dass es Birdie gut gehe und er Boyd, seinem Chow-Chow, die Hölle heißmache.
    Meine Schwester Harry hatte geschrieben, dass sie einen pensionierten Astronauten kennengelernt habe. Sein Name war Orange Curtain. Ich hoffte, das war ein Fehler der Autokorrektur.
    Katy hatte mir einen Link für eine herzliche Einladung zur Brautparty einer Freundin geschickt. Okay, es ging ihr gut. Sie hatte nur viel zu tun.
    Ollie hatte mir eine E-Mail mit einem Anhang geschickt. In der Betreffzeile stand: Aufs Handy speichern. Neugierig lud ich das Dokument herunter und öffnete es.
    Annaliese Rubens Polizeifoto, eingescannt und vergrößert. Auch wenn einige Details verloren gegangen waren, konnte man das Gesicht immer noch gut erkennen.
    Gut mitgedacht, Sergeant Hasty. Meine Kopie des Ausdrucks war inzwischen ziemlich mitgenommen.
    Ich betrachtete das Foto. Dunkle Haare. Runde Wangen. Gesichtszüge, die man auf jeder Straße in Dublin, Dresden oder Dallas sehen könnte.
    »Hoffe, Sie gehören nicht zu diesen Vegetariern.« Ich war so auf Ruben konzentriert, dass ich Nellie nicht kommen gehört hatte. »Ich habe ein bisschen Speck dazugelegt.«
    »Speck ist gut.« Ich legte das Handy weg und zog die Ellbogen an.
    Nellie stellte mir den Teller hin. Neben Eiern und Speck enthielt er Toast, Rösti und ein kleines, braunes Objekt, dessen Zusammensetzung unklar war.
    »Ist das alles?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    Nellie zog eine Rechnung aus ihrem Rockbund. »Noch Kaffee?«
    »Ja, bitte.«
    Als sie sich über den Tisch beugte, fiel ihr Blick auf mein Handy. Rubens Gesicht war noch auf dem Display zu sehen.
    Nellie zuckte zusammen, als hätte sie einen Stromschlag abbekommen. Kaffee spritzte über den Tassenrand und auf die Tischplatte. Scharf einatmend richtete sie sich auf und trat einen Schritt zurück.
    Ich hob den Kopf.
    Nellies Lippen waren fest zusammengepresst. Sie wich meinem Blick aus.
    Hatte Rubens Foto sie so in Aufregung versetzt? Oder bildete ich mir das nur ein?
    »Tut mir leid«, murmelte sie.

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