Knochenjagd (German Edition)
wir ins Susan Forex’ Haus gefunden hatten.
Außerdem hatten wir sonst nichts.
Ich rief Ollie an.
Yellowknife liegt ungefähr fünfzehnhundert Kilometer nördlich von Edmonton. Mit dem Auto fährt man nach Norden zum 60. Breitengrad, um bei Enterprise in die Northwest Territories zu gelangen, dann Richtung Westen nach Fort Providence, wo es auf die Fähre über den Mackenzie River geht. Dann fährt man am Rand eines riesigen Bison-Schutzgebietes entlang, wobei man freiheitsliebenden Bovinae, die über die Straße wandern, möglichst aus dem Weg gehen sollte. In Behchoko fährt man schließlich wieder nach Südosten zum Nordufer des Great Slave Lake.
Die Fahrt dauert bis zu achtzehn Stunden. Die meisten Reiseführer raten, sie bei Sonnenschein zu unternehmen. Und Unmengen von Insektenspray mitzubringen.
Außer es ist Winter. Dann kann man sich auf die Eisstraße wagen.
So würde die Tochter meiner Mutter auf keinen Fall reisen. Nein. Ich nicht.
Wie die Busstrecken waren auch die Flugverbindungen dorthin ziemlich spärlich.
Ollie buchte uns auf eine Maschine der Canadian North, die um 20 Uhr 30 abflog. Die schlechte Nachricht: Wir würden erst nach 22 Uhr auf YZF, dem Flughafen von Yellowknife, landen können. Die gute Nachricht: Die Sonne ging erst sehr viel später unter.
Ollie brachte den Rest des Nachmittags und den frühen Abend damit zu, den Greyhound-Angestellten noch einmal zu befragen und in Hay River, Yellowknife und anderen Orten anzurufen, von denen ich noch nie gehört hatte. Ronnie Scarborough, der Zuhälter, war endlich wieder aufgetaucht, und Ollie hatte ihn für ein Gespräch aufs Revier geladen. Ryan und ich würden um sechs dazustoßen.
Anhand einer Liste, die Ollie uns gegeben hatte, vertrieben Ryan und ich uns die Zeit in Edmonton damit, Bars und Hotels zu besuchen, die von Damen des horizontalen Gewerbes frequentiert wurden. Einige der Etablissements ließen das Cowboy richtig schick aussehen.
Wir zeigten Rubens Foto herum, fragten, ob irgendjemand sie kenne oder gesehen habe. Wir fragten auch nach dem spendierfreudigen Kunden, den Ruben an dem Abend, als sie nach Quebec ausbüxte, hatte treffen wollen.
Wir erfuhren zwei Dinge. In diesen Kreisen liegen drei Jahre weit jenseits des Erinnerungshorizonts. Und wir waren in dieser Welt so willkommen wie eine Schabeninvasion.
Als wir in der RCMP -Zentrale ankamen, erfuhren wir, dass Ollie genauso viel herausgefunden hatte wie wir. Nämlich rein gar nichts. Was ihn verdammt sauer machte.
Ronnie »Scar« Scarborough kühlte sein Mütchen in einem Verhörzimmer. Was ihn verdammt sauer machte.
Ollie meinte, es sei das Beste, wenn er das Verhör alleine durchführe. Wir waren einverstanden, und er brachte uns in einen Raum, wo wir das Verhör über Monitor und Lautsprecher verfolgen konnten.
Auf dem Bildschirm sahen wir Ollie einen winzigen Raum betreten und einem Kerl gegenüber Platz nehmen, der aussah, als hätte ihn eine Castingagentur als Vorschlag für die Rolle eines New-Jersey-Mafioso geschickt. Er war drahtig auf die Frettchenart, mit aknenarbiger Haut, tief liegenden Augen und einer Hakennase, die ihm fast über die vernarbte Oberlippe hing. Gold an Hals und Handgelenken. Glänzend graues Jackett über einem engen, schwarzen T-Shirt, das seine Brustbehaarung betonte. Spitze schwarze Schuhe. Nur das Tattoo, das sich vom Genick seitlich um den Hals wand, passte nicht so recht ins Bild. Es sah aus wie ein stilisierter Vogel, der von einem Totempfahl entflohen war.
Scar saß mit ausgestreckten Beinen da, die Füße übereinandergeschlagen, ein Arm auf der Rückenlehne des Stuhls.
»Wie läuft’s, Scar?«
Scar verdrehte nur die Augen.
»Nettes Shirt. Freut mich, dass du dir deiner Sexualität so sicher bist.«
»Scheiße Mann, warum bin ich eigentlich hier?«
»Ich dachte, wir könnten ein wenig über deine Karriereplanung reden.«
»Ich will meinen Anwalt anrufen.«
»Du bist nicht verhaftet.«
Scar zog die Füße an und stand auf. »Dann bin ich jetzt weg.«
»Hinsetzen.«
Scar blieb stehen, das Gesicht voller Verachtung.
Ollie klatschte eine Kopie von Rubens Polizeifoto auf den Tisch und drehte es Scar zu. Der Nagerblick blieb auf Ollie haften.
»Schau’s dir an, Arschloch.«
Scars Blick schnellte nach unten, dann wieder hoch. Er sagte nichts.
»Weißt du, wer das ist?«
»Sagen Sie Ihrer Schwester, dass ich im Augenblick keinen Bedarf habe.«
»Annaliese Ruben. Meine Quellen sagen, du wärst ihr Zuhälter
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