Knochenjagd (German Edition)
Pick-up rückwärts aus einer Einfahrt. Ich sah ihn ausrollen, kurz stehen bleiben und dann in Richtung Hamilton davonfahren.
Um acht Uhr fünfzehn war meine Begeisterung für Überwachung und Ermittlung tiefer gesunken als meine Körperkerntemperatur. Eine Million Argumente fürs Aufbrechen wirbelten mir durchs Hirn.
Dieses Haus hatte mit Ruben ja vielleicht gar nichts zu tun. Vielleicht war es Nellies Haus, und sie lag drinnen mollig warm im Bett, während Ruben immer noch im Gold Range saß. Vielleicht hatte Nellie nur kurz im Hotel vorbeigeschaut, um ihr zu sagen, dass wir in Yellowknife waren. Vielleicht war Ruben bereits untergetaucht, und ich hatte wieder alles vermasselt.
Was sollte das Ganze? Ich kannte die Adresse. Wir konnten später noch einmal herkommen und nachsehen, ob Ruben hier war.
Hin und wieder gebe ich mir selber einen guten Rat. In seltenen Fällen nehme ich ihn auch an. In diesem Fall leider nicht.
Bevor ich mich davonmachte, beschloss ich, noch einen kurzen Blick zu riskieren. Nein, das stimmt nicht ganz. Es war keine bewusste Entscheidung. Meine halb tauben Füße setzten sich einfach in Bewegung.
Ein schneller Blick nach links und nach rechts, dann huschte ich über die Ragged Ass, die Einfahrt hoch und um die Vordachseite des Hauses herum. Ich schlich mich unbemerkt, wie ich hoffte, am Grill vorbei und drückte mich neben einer Glasschiebetür flach an die Wand.
Und lauschte mit angehaltenem Atem.
Von drinnen kam das gedämpfte Auf und Ab einer Radio-oder TV -Talkshow. Hier draußen, um mich herum, nichts als Stille.
Ganz behutsam löste ich die rechte Schulter von der Wand und drehte mich nach links.
Zwecklos. Jalousien aus dünnem Metall versperrten den Blick ins Innere. Sie waren ganz heruntergelassen, die Lamellen dicht geschlossen.
Ich drehte mich nach rechts und versuchte das gleiche Manöver an einem Fenster, dessen unterer Rand mir etwa bis zur Schulter reichte. Noch eine geschlossene Jalousie.
Ich wollte schon aufgeben, als ich etwas durch die Wand dringen hörte, das wie Kläffen klang. Rubens Hund?
Wie elektrisiert schlich ich zur Rückwand des Hauses.
Rechts im Hinterhof spannte sich eine Wäscheleine von der Rückwand zu einer verkümmerten Birke etwa zwanzig Meter entfernt. Am anderen Ende des Hofs, einem Flecken nackter Erde, stand ein Lagerschuppen aus Aluminiumblech. Daneben sah ich einen Müllcontainer aus verwittertem Holz mit schräg gestelltem Deckel.
Eine Holztreppe mit drei durchgetretenen Stufen führte zu einer Tür in der Mitte der Rückwand. Dahinter stand ein gesprungenes Pflanzgefäß aus Keramik. Und dahinter ein wackeliger Holztisch. Eine fleckige Tischplatte und ein rostiges Messer deuteten darauf hin, dass er zum Ausnehmen und Putzen von Fischen verwendet wurde.
Zwischen der linken Hausecke, wo ich stand, und der Treppe befand sich ein weiteres, etwas höheres Fenster. Ich konnte es aus meinem Blickwinkel nicht direkt sehen, doch der Schattenwurf verriet mir, dass die Jalousie etwa fünfzehn Zentimeter über dem Fensterbrett aufhörte.
Alle Sinne angespannt, ging ich um die Hausecke herum und drückte mich an der Rückwand entlang. Ein Rabe krächzte und flatterte aus der Birke hoch.
Ich erstarrte.
Nichts.
Ich schob mich weiter.
Acht Schritte brachten mich zum Fenster und einer flachen Grube genau darunter. Sie schien von Hand ausgehoben zu sein und war mit einer Plastikplane ausgelegt, der Rand mit Steinen beschwert. Ein Gartenschlauch schlängelte sich von der Grube zu einem Hahn am Haus. Umgeben von schwarzem Schlamm und zu etwa zehn Zentimetern mit trübem, grün irisierendem Wasser gefüllt, wirkte das Ding wie ein Koi-Teich aus der Hölle.
Vom hinteren Tümpelrand aus versuchte ich in das Haus zu spähen. Doch von dort aus konnte ich durch den Spalt unter der Jalousie nichts erkennen.
Ich schätzte den Abstand zwischen dem vorderen Rand des Tümpels und der Hauswand. Ein guter halber Meter. Kniffelig, aber ich konnte dort wohl stehen.
Die Handflächen ans Holz gedrückt, schob ich mich langsam an der Wand entlang. Der Schlamm fühlte sich glitschig und schwankend unter den Sohlen meiner Turnschuhe an.
Zwei Schritte, und ich stand vor dem Fenster. Das Brett hatte ich etwa auf Nasenhöhe. Ich krallte mich mit den Fingern fest und zog mich auf die Zehenspitzen hoch.
Das Licht brannte nicht, dennoch zeichneten sich im dämmerigen Innenraum einige Gegenstände ab. Der obere Teil eines Gefrierschranks. Eine Wanduhr in Form eines
Weitere Kostenlose Bücher