Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenjagd (German Edition)

Knochenjagd (German Edition)

Titel: Knochenjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
wir hier in Mondlicht und Regen standen, erkannte ich die traurige Wahrheit: Annaliese Ruben war kein Monster. Sie war einfältig.
    »Ich weiß«, sagte ich sanft.
    Ich wollte sie eben in die Arme nehmen, als mir etwas hinter ihrer rechten Schulter ins Auge stach. Mit den Nadeln einer Kiefer stimmte etwas nicht, ihre Ränder waren zu hell in der dunklen Umgebung.
    Ich trat einen Schritt nach links, um hinter Annaliese sehen zu können.
    Ein Augenblick, und dann ein Flackern, als hätte jemand eine Taschenlampe ein-und sofort wieder ausgeschaltet.
    »Annaliese«, flüsterte ich. »Bist du allein gekommen?«
    Auf diese Frage würde ich nie eine Antwort bekommen.
    Ein gedämpftes Krachen zerriss die Stille. Ich sah ein Aufblitzen.
    Annalieses Mund klappte auf. Aus ihrer Stirn spritzte ein Klumpen, und über ihrer rechten Braue öffnete sich ein Loch.
    Mit einem entsetzten Aufjaulen sprang Tank von der Brust seines Frauchens und rannte in den Wald.
    Ich warf mich auf den Boden.
    Noch ein Krachen gellte durch die Nacht.
    Annalieses Körper zuckte und drehte sich mir zu. Dann sackte sie zusammen.
    Bäuchlings robbte ich zu ihr, schob mich mit den Ellbogen vor und stieß mich mit den Füßen ab.
    Annaliese lag mit weit geöffneten Augen da, wie überrumpelt von dem, was eben passiert war. Ein schwarzes Rinnsal floss aus der Austrittswunde, über ihr Gesicht und in ihren Haaransatz.
    Ich drückte ihr zitternde Finger an die Kehle. Kein Puls.
    Nein! Nein!
    Ich tastete das weiche Fleisch ab, suchte verzweifelt nach Lebenszeichen.
    Nichts.
    Obwohl mein Herz hämmerte, versuchte ich, klar zu denken. Wie viele waren da draußen? War Annaliese das Ziel gewesen oder ich?
    Denk nach!
    Womit rechnete der Schütze?
    Dass ich davonlaufen würde. Oder bleiben würde, um Erste Hilfe zu leisten.
    Tu keins von beidem!
    Dicht am Boden robbte ich zu der Stelle zurück, wo ich gestanden hatte, als ich den Schuss gehört hatte. Dabei spürte ich, dass etwas Hartes in meiner Hosentasche war.
    Einen Augenblick blieb ich still liegen und strengte alle Sinne an. Sah kein Licht. Hörte kein Geräusch.
    In den Nadeln, die den Boden bedeckten, tastete ich nach der Taschenlampe. Schließlich schlossen meine Finger sich um den Zylinder. Das Glas mit einer Hand bedeckend, schüttelte ich die Lampe, um die Batterien zu aktivieren. Dann warf ich das Ding in einem Bogen so in die Richtung von Annalieses Leiche, dass das Licht vom Schützen wegzeigte. Die Lampe landete mit leisem Knacken, der Strahl war kaum sichtbar.
    Ich erstarrte.
    Keine Schüsse.
    Kein Geräusch, außer den Tropfen, die auf die Äste über mir klatschten.
    Ich drehte mich auf die Seite, zog das Telefon aus meiner Tasche und hielt es mir dicht vor den Bauch. Gegen alle Vernunft hoffend, drückte ich auf die Einschalttaste.
    Das Display flackerte, wurde wieder schwarz.
    Ich versuchte es noch einmal und hielt den Druck mit dem Daumen aufrecht.
    Sekundenlang.
    Stunden.
    Ich wollte schon aufgeben, als die Icons plötzlich in wunderbaren Farben erstrahlten.
    Fast weinend vor Erleichterung drückte ich auf das grüne Telefonsymbol, dann auf eine Ziffer in der Kurzwahlliste.
    »Ryan.« Groggy, aber er versuchte, wach zu klingen.
    »Ich bin zwischen den Kiefern hinter dem Hotel«, flüsterte ich.
    »Ich …stehe dich nicht.«
    »Im Wald hinter dem Hotel.«
    »…derhole … gesagt hast.«
    »Ruben wurde erschossen«, zischte ich.
    »… bricht zusammen.«
    »Komm in den Wald hinter dem Zen-Garten«, zischte ich, so laut ich mich traute.
    »Leg auf … dich zurück … Festnetz.«
    »Ich bin nicht in meinem Zimmer. Du musst in den Wald –«
    Die Verbindung brach ab. Ich versuchte es mit SMS . Funktionierte nicht.
    Ich war ganz auf mich allein gestellt.
    Ich steckte das Handy wieder ein.
    Horchte. Der Wald war absolut still.
    Plötzlicher Gedanke.
    Tank.
    Auch der kleine Hund war auf sich allein gestellt. Leichte Beute für Kojoten. Oder Wölfe. Oder was zum Teufel sonst noch hier draußen auf der Pirsch war.
    Ihn rufen?
    Das konnte ich nicht riskieren.
    Ein trüber, gelber Schein markierte die Stelle, wo Annaliese lag. Für sie konnte man nichts tun. Aber ich wollte unbedingt Hilfe zum Tatort rufen. Um ihre Leiche aus dem Regen zu bekommen.
    Um meinen eigenen Arsch zu retten.
    Würde Ryan mit meiner verstümmelten Nachricht etwas anfangen können?
    Wie lange warten?
    Ich entschied mich für zehn Minuten.
    Suchte nach Orientierungspunkten.
    Ruben lag unter einer großen Kiefer mit einem knotigen

Weitere Kostenlose Bücher