Knochenjagd (German Edition)
zu sehen.«
Schweigen.
»Sehr kleine, verteilte Partikel als Folge eines Schusses aus einem Hochgeschwindigkeitsgewehr, dessen Ladung den Körper durchdringt«, erklärte ich.
»Ein Jagdgewehr vielleicht?«
»Genau das denke ich«, sagte ich.
»Hier in der Gegend haben wir ein paar Tausend von diesen Dingern. Was ist mit Beck?«
»Wir machen eine Röntgenserie des gesamten Körpers. Außerdem untersuche ich die Knochen, die ich dem älteren Opfer zugewiesen habe. Haben Sie irgendwas gefunden?«
»Ich habe mir Becks Totenschein geholt. Der Todestag ist der 4. März 2008. Angefangen von diesem Datum habe ich die Vermisstenanzeigen des ganzen Jahres überprüft. Keiner passt zu Ihrem Profil.«
»Der Ältere hatte Wurzelbehandlungen an einigen seiner unteren Backenzähne. Wir sollten die Aufnahmen einem forensischen Odontologen vorlegen, um korrekte Angaben zu erhalten, die wir dann durchs CPIC jagen können.«
»Haben Sie jemanden auf der Kurzwahlliste?«
»Ja. Aber der ist in Montreal, und dort ist es jetzt mitten in der Nacht.« Und Flexibilität gehörte nicht zu Marc Bergerons Charaktereigenschaften.
»Beck ist schon eine ganze Weile tot«, sagte King. »Da kann er auch noch ein bisschen länger warten.«
Mit meinem iPhone schoss ich Fotos von den Zahnbehandlungen des älteren Mannes und e-mailte sie Bergeron. So hatte er sie bereits vorliegen, wenn er morgens in die Arbeit kam.
Ich schaute auf die Uhr. Zehn nach zwölf. Es war schon Morgen.
Da ich mir dachte, dass Ollie mit Scars Mordermittlung beschäftigt war, rief ich Ryan an. Er und Rainwater saßen in einer Bar am Highway 4, wo sie einer weiteren Spur zu Unka nachgingen. Im Hintergrund konnte ich Musik hören und den Lärm vieler Menschen auf engem Raum.
»Rainwater denkt, dass wir verscheißert werden.« Ryan klang so müde, wie ich mich fühlte. »Er hat eine Großrazzia angeordnet und will jeden grillen, der ins Netz geht.«
Ich erzählte Ryan von den vermischten Überresten und dem Bleigewitter.
»Beide wurden umgebracht?«
»Das werde ich bald rausfinden. Das ältere Opfer hatte ein paar Wurzelbehandlungen.«
»Willst du Bergeron anrufen?«
»Morgen. Ich habe ihm Fotos geschickt.«
»Gute Arbeit.«
»Halte mich auf dem Laufenden«, sagte ich.
»Du ebenfalls.«
Courtney kam zurück, als ich auflegte. Während sie den Rest des Älteren röntgte, schaute ich mir Becks Aufnahmen an.
Bleigewitter in Oberschenkelknochen und Beckenfragment. Das beantwortete eine Frage. Warf aber auch neue auf.
Waren Beck und der ältere Mann beide ermordet worden? Wenn ja, warum?
Hatte einer den anderen erschossen und dann die Waffe gegen sich selbst gerichtet? Wenn ja, warum? Und wer wen?
Waren Beck und sein Kumpan nach einer Nacht voller Drogen und Alkohol in Streit geraten? Irrte sich Snook, was ihres Halbbruders Entscheidung zur Nüchternheit anging?
Das Mord-Selbstmord-Szenario war nicht sehr überzeugend. Schusswechsel von Mann zu Mann wurden selten mit einem Gewehr ausgetragen. Ich notierte mir zu fragen, ob an der Brandstelle Überreste einer Waffe gefunden worden waren.
Hatte Beck oder der Ältere das Haus angezündet? Oder sonst jemand? War das Feuer ein Unfall?
Wer war der Ältere? Warum hatte ihn niemand als vermisst gemeldet? Stammte er nicht aus der Gegend?
Ich blätterte zu einer leeren Seite in meinem Notizbuch und skizzierte einen zeitlichen Ablauf. Farley McLeod starb 2007, Daryl Beck 2008, Annaliese Ruben und Ronnie Scarborough gestern. Alle waren miteinander verwandt. Hatten auch ihre Tode miteinander zu tun? Wie?
Castain wurde ebenfalls gestern ermordet. Er war kein Verwandter. Wie passte er ins Bild?
Castain und Scarborough waren aus fahrenden Autos erschossen worden. Ruben wurde von einem Mann zu Fuß erschossen, vermutlich mit einem Gewehr. Beck und sein Kumpel waren mit einem Jagdgewehr erschossen worden.
War bei allen fünf Anschlägen dieselbe Waffe verwendet worden? Waren die Schüsse aus den fahrenden Autos aus einer Pistole gekommen?
McLeod war mit einer Cessna abgestürzt. Seine Leiche wurde nie gefunden. Rubens Leiche fehlte ebenfalls. War das ein Zufall? Oder hatte es eine Bedeutung?
Ich war aufgeregt. Zu viele Fragen und zu wenige Antworten. So kompliziert.
Zu kompliziert.
Und so viele Tote. Sogar wenn man die Babys ausnahm.
Courtney kam mit den Schädelfragmenten und den Röntgenaufnahmen zurück.
Auf manchen Schneegestöber, auf anderen nicht. Ich sah nichts, was ich eindeutig Beck zuordnen
Weitere Kostenlose Bücher