Knochenjagd (German Edition)
Vor allem aus Langeweile. Es war zu früh, um etwas von Bergeron zu hören, und ich bezweifelte, dass King seit Mitternacht viel herausgefunden hatte.
Ich schlug eben das Buch über Fipke und seine Kumpel auf, als Ryan auftauchte. Er sah ziemlich schlecht aus. Verquollene Augen. Angespannter Unterkiefer, der ihn hager aussehen ließ. Er sah mich und kam zu mir.
»Gesellschaft?«
»Gern.«
Ryan setzte sich auf den anderen Stuhl und schaute sich um. »Bin ich ja richtig froh, dass ich noch einen Platz bekommen habe.«
»Später wird’s angeblich richtig brummen.«
Ryan zog eine Augenbraue hoch.
»Das Hotel ist berühmt für seinen Sonntagsbrunch.«
»Gibt’s denn nicht jeden Tag Brunch?«
»Ich berichte nur, was ich gehört habe.«
Die Kellnerin brachte meine Eier und goss Ryan Kaffee ein. Er bestellte, was ich aß, und sie ging wieder.
»Habe dich nicht sehr oft gesehen«, sagte er.
»Nichts läuft so, wie wir gehofft hatten.« Und die Einheimischen denken, ich hänge an der Flasche.
»Du zeigst mir deins, ich zeig dir meins.«
Ich lächelte. Das war unser Code für Informationsaustausch über Fälle. In unseren guten Zeiten.
Ich skizzierte kurz die Exhumierung und fasste mein Telefonat mit Bergeron zusammen.
Er sagte mir, dass Rainwater einige von Unkas Ganoven in der G Division ihr Mütchen kühlen ließ. Er und Ollie würden in Kürze hinfahren.
Nach diesem Austausch saßen wir nur da und mieden den Blick des anderen.
Ryans Frühstück kam. Er aß es.
Auf der anderen Seite des Restaurants beugten die beiden Grauhaarigen sich über ihr Pflanzenbuch. Mein Blick wanderte zu ihnen. Wie glücklich sie aussehen. Wie gut sie zusammenpassen.
Ich spürte Ryans Finger auf meinem Handrücken. Sie wanderten zum Handgelenk, blieben auf meiner Uhr liegen. Meine Haut kribbelte dort, wo sie mich gestreichelt hatten. Überrascht schaute ich ihn an.
Seine Augen ruhten auf meinem Gesicht. Unsere Blicke trafen sich.
So unmöglich blau. Und gequält, wie die meinen, die mich aus dem Rückspiegel angestarrt hatten.
»Lily ist im Gefängnis«, sagte er leise.
»Ist sie wieder drauf?« Ich war schockiert. »Es ging ihr doch so gut.«
»Das Mädchen ist eine geborene Schauspielerin.«
»Ryan. Das tut mir so leid. Wie …?« Ich ließ die Frage in der Luft hängen.
»Sie hat sich wieder mit dem Arschloch zusammengetan, mit dem sie letztes Jahr ging. Er hat ihr ein paarmal was umsonst gegeben, dann war sie auf sich allein gestellt. Der Wachdienst nahm sie fest, als sie im Carrefour Angrignon ein Smartphone klauen wollte.«
»Das Einkaufszentrum draußen in LaSalle?«
»Ja. Diesmal konnte ich nichts tun.«
Ryan sah so niedergeschlagen aus, dass ich ihn am liebsten in den Arm genommen und an mich gedrückt hätte. Um das Kratzen seiner Stoppeln an meiner Wange wieder zu spüren. Den Duft seines Rasierwassers einzuatmen.
Stattdessen stellte ich mir das zweifelhafte Vergnügen vor, das Lily darstellte. Erinnerte mich an seinen Bericht, wie sie in sein Leben getreten war.
Lilys Mutter Lutetia stammte ursprünglich von Abaco Island, lebte aber zu seinen katastrophalen Studentenzeiten in Nova Scotia. Die beiden waren nicht unbedingt ein Paar, aber sie passten sehr, sehr gut zusammen.
Nachdem er bei einer Messerstecherei in einer Bar verletzt worden war, verließ Ryan die dunkle Seite und ging zur SQ . Er und Lutetia gingen von da an getrennte Wege, kamen aber Jahre später für ein Erinnerungstechtelmechtel noch einmal zusammen.
Auftritt Lily.
Weil Lutetia in ihre karibische Heimat zurückkehren wollte und Angst hatte, Ryan könnte versuchen, sie davon abzuhalten, sagte sie ihm nichts von ihrer Schwangerschaft. Obwohl Mutter und Tochter zwölf Jahre später nach Kanada zurückkehrten, zog Mama es vor, diese Unterlassung nicht zu korrigieren.
Schnelldurchlauf zum Unvermeidlichen.
Vor ein paar Jahren tauchte Lily plötzlich auf Daddys Schwelle auf. Sie war siebzehn, voller Groll und sehr, sehr wütend. Und, wie sich zeigte, heroinabhängig.
Wieder und wieder brachte Ryan sie zum Entzug. Wieder und wieder wurde sie rückfällig.
Wie jeder Vater wollte Ryan sein Kind vor Schmerz bewahren, sie vor jedem Übel in der Welt beschützen. Lily machte das unmöglich, und Ryan belastete das sehr. Ein Opfer war unsere Beziehung.
Egal. Ryan liebte sein kleines Mädchen mit jeder Faser seines Wesens.
Grundgütiger. Da machte ich mir Sorgen, weil Katy zur Army ging, und Ryans Tochter hatte wieder angefangen, sich Gift in
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