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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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geschaut, um sicherzugehen, dass sich keiner da drin versteckte.
    Ich schüttele den Kopf angesichts von so viel Wahnsinn, aber das weckt nur den Schmerz in meinem Schädel wieder. Ho, immer schön langsam.
    Während ich den Flur entlangschlurfe, beschließe ich, dass es ein überdimensionaler Streuner gewesen sein muss. Eine Dänische Dogge auf Steroiden oder so. Oder vielleicht ein Elch. Es heißt, sie würden in den Wintermonaten, wenn sie kaum gutes Gras finden, immer mal wieder in die Stadt kommen.
Können Elche knurren? Von einem Elch in die Flucht geschlagen - die Vorstellung bringt mich zum Lachen.
    Die Dusche lasse ich aus - es dauert einfach zu lange, bis das Wasser warm wird. Stattdessen putze ich mir den gröbsten Dreck von den Zähnen und blinzele mich im Spiegel an, um sicherzugehen, dass ich immer noch ein Spiegelbild habe. Irgendwie fühle ich mich an diesem Morgen wie ein Untoter.
    Noch in der Nacht hab ich mich gestern nach Bisswunden abgesucht, nach Blutspuren oder Krallenkratzern. Nach irgendeinem Beweis für meine Halluzinationen. Aber mehr als ein paar Schrammen in den Handflächen vom Versuch, aus dem Graben zu klettern, hab ich nicht gefunden.
    In einem dieser Albtraumbilder, die mir ständig durch den Kopf jagen, schießt eine schlangenartige Zunge auf mich zu und stößt mir irgendwas Spitzes in den Handrücken. Aber das Einzige, was ich da finde, ist ein winziger blauer Punkt, als hätte ich mich an einer Bleistiftspitze gestochen. Ich hab schon Sommersprossen gehabt, die furchteinflößender waren als das.
    Als ich mich in die Küche schleppe, kommt auch Dad gerade rein.
    »Hey, Danny«, sagt er und schmeißt seine Mütze auf den Tisch. »Geht’s dir besser?«
    »Besser als wann?«
    »Warst ziemlich fertig, als du letzte Nacht heimgekommen bist.«
    Er hatte sich auf der Couch vor dem Fernseher gefläzt, als ich kam. Ich zitterte so übel, dass ich nur einsilbig auf seine Fragen antworten konnte, wo ich denn gewesen sei und was ich so getrieben hätte. »Nirgends. Nichts. Nacht.«

    »Zwanzig Grad minus machen einen ziemlich fertig.« Jetzt, am helllichten Tag, kommt mir mein wildes nächtliches Gehetze mehr als lachhaft vor.
    Dad geht zum Kühlschrank und macht ihn auf. Dad ist der Black-Irish-Teil der Familie - black wegen der schwarzen Haare und der dunklen Augen. Er ist ziemlich groß, hat an der Highschool als Verteidiger im Footballteam gespielt. Ich wünschte, ich hätte mehr von seinen Muskeln und weniger von Moms dünnen Vogelknochen geerbt. Ihre blasse Haut hab ich auch, ihre blonden Haare, die Stupsnase und die blauen Augen.
    »Eier?«, fragt Dad.
    »Gern. Rührei.« Passend zu meinem durchgerührten Gehirn.
    Ich hole mir eine Cola aus dem Kühlschrank. Ich brauche dringend Koffein.
    Bald erfüllt der Duft nach Eiern und schmelzendem Käse die Küche. Wenn ich mich auf den Weg zur Schule mache, wird Dad längst wieder draußen sein, nach dem Rechten sehen, Sachen reparieren, die nicht repariert werden müssen. Jetzt im Dezember gibt’s im Jachthafen nicht viel zu tun. Nur ab und zu den Hauptsteg flicken, lose Ecken von Bootsplanen festzurren oder gelegentlich ein Schneemobil oder eine Hütte zum Eisfischen vermieten. Aber er ist immer unterwegs, nimmt sich ständig was vor, nur um an nichts Tiefgründigeres zu denken als das Wetter, was es zum Abendessen gibt und welches Hockeyspiel am Abend im Fernsehen läuft.
    »Bei dem eisigen Wind werden es heute bestimmt an die dreißig Grad minus«, sagt er.

    »Na klasse. Noch ein Tag im Paradies.« Ich sehe zum eisverkrusteten Fenster neben der Spüle hin.
    Dad reicht mir meinen Teller. »Heute Abend läuft ein Spiel der Leafs im Fernsehen.«
    »Klingt gut«, murmele ich mit vollem Rühreimund.
    Heute gehe ich garantiert nicht mehr im Dunkeln raus. Das Problem ist nur, dass die Sonne schon kurz nach vier untergeht, gleich nach Schulschluss. Und hier, wo keine Straßenlampen die Nacht ausbremsen können, wird es verdammt schnell dunkel. Vielleicht kann ich Pike überreden, mich mit seiner Karre nach Hause zu fahren.
    »Übrigens, hab ich ganz vergessen zu erzählen«, sagt Dad und steckt zwei Scheiben Roggenbrot in den Toaster. »Deine Tante Karen hat gestern Abend angerufen, als du nicht da warst.«
    »Was wollte sie?«
    »Ach, das Übliche.« Er zuckt mit den Schultern und beobachtet den Toaster, wobei er mir den Rücken zukehrt. »Reden.«
    »Und, hast du mit ihr geredet?« Ich kenne die Antwort längst.
    Er wartet darauf, dass der

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