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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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altes Bett zurück, in dem vor mir noch nie jemand geschlafen hatte. Das war in Toronto, in einem anderen Leben. Mom hat mich immer ins Bett gebracht, auch als ich eigentlich schon zu alt dafür war. Ich tat so, als würde ich
schon schlafen, und spürte, wie sie mich bis zu den Schultern zudeckte und sich vergewisserte, dass meine Füße auch nicht rauslugten. Wir wollen doch nicht, dass deine Füße sich erkälten , sagte sie, als ich noch klein war. Sonst fangen sie am Ende noch an, dein ganzes Zimmer vollzuniesen. Und dann kitzelte sie mich kurz an den Sohlen, bevor sie das Licht ausmachte. In manchen Nächten - das war dann schon gegen Ende - tat ich aus einem anderen Grund so, als würde ich schlafen. Um mich vor ihr zu verstecken. Ich spürte, wenn sie sich mitten in der Nacht auf meine Bettkante setzte, spürte ihr Gewicht, das dort auf meine Matratze drückte. Ich hörte sie atmen. Und manchmal weinen.
    Während ich wegschlummere, scheint sich das Geflüster des Heizkörpers in Worte zu verwandeln. Die Rohre atmen und führen Selbstgespräche.
     
    Das aufblitzende Licht kommt so plötzlich und ist so grell, dass es wehtut. Ich schnappe erschrocken nach Luft.
    Was ist das? Was ist hier los?
    Ich wache in eine blendende Weißheit auf und versuche, die Augen gleich wieder zu schließen. Nur dass sie sich nicht schließen lassen.
    Wo bin ich?
    Wo auch immer ich sein mag - es ist kalt hier. Knochendurchdringend kalt. Ich drehe den Kopf, um...
    Ich versuche, den Kopf zu drehen...
    Ich kann meinen Kopf nicht bewegen! Augenblick mal, ich kann mich gar nicht bewegen!
    Nicht mal blinzeln kann ich.

    Nur meine Augen bewegen sich. Aus dem Augenwinkel sehe ich nur Weiß auf Weiß auf Weiß. Rein und scharf sticht es mir in den Grund der Augenhöhlen. Mein Kopf liegt leicht erhöht, aber nicht auf einem Kissen, sondern auf etwas, was sich wie Stahl anfühlt und eiskalt gegen meinen Nacken drückt.
    Das Bett, das Zimmer, das Haus - alles weg. Außer dem Weiß ist nichts mehr da.
    Ich würde frösteln, wenn ich könnte. Aber selbst diese Form von Bewegung steht mir nicht zur Verfügung.
    Ich starre aus den Tiefen meiner Augen und sehe, wie mein nackter Brustkorb sich hebt und senkt, langsam und gleichmäßig trotz meiner Panik. Mein Atem bildet Wolken in der frostigen Luft.
    Hey! Ist da jemand?, versuche ich zu rufen. Aber ich kann nicht mal flüstern.
    Zwischen zwei Atemwolken, die meinen Blick trüben, sehe ich, dass mit meiner Brust etwas nicht stimmt. Sie ist aufgeschnitten worden. Auf jeder Schulter entspringt ein gerader Strich, der sich über die Brust zieht, um sich direkt oberhalb meines Magens in der Mitte mit seinem Zwilling zu vereinen. Kein Blut. Die Schnitte sehen beinahe blau aus und meine Haut ist schneebleich. Wo die Linien sich treffen, münden sie in eine gemeinsame, die zu meinem Unterleib hinunterführt.
    Meine Angst schwillt an, denn ich kenne diesen Schnitt aus Krimiserien. Y-Schnitt heißt der. Wird bei Obduktionen gemacht.
    Reiß dich zusammen! Das ist ein Traum. Ich träume. Okay, es ist ein total abgefuckter, beschissener Albtraum. Aber eben nur ein Traum. Er kann mir nichts anhaben! In Träumen empfindet
man keinen Schmerz, okay? Man spürt nichts Körperliches.
    Hör auf, immer auf den Schnitt zu glotzen! Wenn du die Augen schon nicht zumachen kannst, dann verlier dich eben in dem Weiß.
    Schneeblind starre ich ins grelle Nichts.
    Ich liege immer noch in meinem Bett, in meinem Zimmer. Ich bin in Sicherheit. Kein Grund, Angst zu haben...
    Plötzlich berührt etwas meinen Kopf. Eine Hand? Die mir über die Haare streicht? Finger? Sind das Finger?
    Wer ist da?, frage ich stumm.
    Ich zwinge den Blick nach oben, kann aber nicht weit genug nach hinten sehen.
    Auf einmal summt etwas in meinem Ohr, schockierend laut in der Stille dieses weißen Ortes. Kaltes Metall presst sich an meine Schläfe. Etwas zieht an meiner Kopfhaut, winzige Stahlzähne durchkämmen mir die Haare. Ein Büschel abgeschnittenes Haar fällt neben mein linkes Ohr. Das elektrische Summen bewegt sich vor und zurück, wie ein kreisender Moskito, und schon bald ist mein Schädel kahl gesummt.
    Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir überhaupt nicht.
    Höchste Zeit, aufzuwachen. Sofort! Bitte.
    Ich versuche es. Nichts passiert. Ich sitze in der Falle.
    Das Summen verstummt und eine ohrenbetäubende Stille setzt ein. Meine Augen rollen hin und her, versuchen verzweifelt, den Blick auf etwas zu erhaschen - einen Farbblitz, einen

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