Knochenkälte
Kälte.«
»Aha? Das hier kannst du also auch nicht fühlen?« Ich klaue mir einen hastigen Kuss. Ihre Lippen fühlen sich auf meinen fieberheiß an.
»Doch.« Sie greift mit beiden Händen nach meinem Hintern. »Und spürst du das?«
Aber bevor ich einsteigen kann, lässt sie schon wieder los und geht zur Tür.
Ich folge ihr ins Haus und ziehe auf der Fußmatte meine Stiefel aus. In der Küche holt Ash sich eine Flasche Proteinshake aus dem Kühlschrank.
»Willst du auch was?«
Das schlammbraune Zeug soll angeblich nach Schokolade schmecken, in Wirklichkeit erinnert es mehr an Kreide.
»Hier.« Sie reicht mir ein Glas. »Du brauchst deine Aminosäuren. Musst mal ein bisschen Fleisch auf die Knochen kriegen.«
Sie pikt mir einen Finger in den mageren Brustkorb. Ich schleudere den Rucksack auf die Küchentheke und würge ein paar Schluck Proteinshake runter. Ash trinkt ihr Glas auf ex. Dann zieht sie ihre Jacke aus, wirft sie über eine Stuhllehne und schnuppert an sich runter.
»Mann, ich stinke vielleicht. Hätte doch lieber gleich dort duschen sollen. Okay, ich stelle mich mal unters heiße Wasser. Bin in fünf Minuten wieder da.«
»Brauchst du vielleicht Hilfe beim Seifehalten?«
»Na klar doch«, schnaubt sie. »Wo mein Dad da draußen gerade die Axt schwingt.« Wie aufs Stichwort höre ich, wie ein weiterer Holzscheit knackend aufbricht.
Ash verschwindet, und ich zwinge mich, noch einen Schluck von dem Aminosäurenschlamm zu trinken. Plötzlich streckt sie den Kopf wieder rein, und ich schaue gerade noch rechtzeitig hoch, um das T-Shirt zu sehen, das sie mir an den Kopf wirft.
»Aber das hier kannst du halten. Mach’s bloß nicht klebrig, klar?«
Dann ist sie gleich wieder weg, bevor mir eine Antwort einfallen kann. Ich sehe ihre braunen Schultern aufblitzen, dann
ihren nackten Rücken. Genug, um einen Teil des Eises in meinen Adern schmelzen zu lassen.
Ich schnüffle am T-Shirt. Es riecht tatsächlich ziemlich intensiv, aber auf eine sexy Art. Ich werfe einen nervösen Blick zum Fenster über dem Waschbecken rüber, halb in der Erwartung, Ashs axtschwingenden Dad hereinstarren zu sehen.
Ich stopfe das Shirt in den Rucksack und kippe den Rest von meinem Shake in den Abfluss.
Es ist viel zu heiß hier drin. Ich versuche, es zu verdrängen - es... sie... meine Infektion . Hoffe einfach, dass sie wieder weggeht. Blöd, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.
Ich brauche Luft. Kalte Luft. Ich nehme meine Stiefel und marschiere zur hinteren Tür raus.
Ah! Ich fülle meine Lunge und stapfe durch den Schnee zu Nick, der am Hackklotz rackert. Ich räuspere mich, um ihn nicht zu erschrecken. An jemanden, der eine Axt in der Hand hat, sollte man sich nicht lautlos ranschleichen.
Er dreht sich zu mir um. »Hey, Danny. Du siehst kaputt aus.«
»Wir sind gerade vom Sport zurück. Hab mir Mühe gegeben, mit Ash mitzuhalten.«
»Wenn du dich mal richtig auspowern willst, solltest du es mal damit probieren.« Er wiegt die Axt in der Hand. »Das brennt hinterher schön in den Muskeln.«
Ich sehe den Dampf, der von seinem Kopf aufsteigt, den Schweiß, der ihm das Gesicht befeuchtet. Die Ärmel seines Flanellhemdes hat er bis über die Ellbogen hochgekrempelt.
»Ist das für ein Lagerfeuer?« Ich zeige auf den großen Haufen Brennholz, den er gehackt hat.
»Nein, ich will nur, dass sie hier genug Holz haben, während ich weg bin.«
Sein Regiment startet morgen zu einer sechswöchigen Tour in den Norden Kanadas. Um auf die terroristischen Eisbären zu achten und sicherzustellen, dass die Hilfswichtel des Weihnachtsmanns keinen heiligen Krieg anzetteln.
»Sie werden Weihnachten verpassen«, sage ich.
Er tut das mit einem bärbeißigen Lächeln ab. »Das ist nichts Neues. Ich bin im Reservat aufgewachsen, Danny. Da haben wir jedes Weihnachten verpasst.«
Was soll ich dazu sagen?
Ich hatte vorgehabt, ihn nach ein paar Sachen zu fragen. Aber er macht mir manchmal immer noch irgendwie Angst. Die Art, wie er einen ansieht, so ernst und eindringlich, als würde er einen bis auf die Knochen durchschauen. Ich weiß, dass er meistens nur Spaß macht, so wie Ash. Mich auf die Probe stellt, ob ich Mumm in den Knochen habe.
Das ist meine letzte Gelegenheit, bevor er weg ist. Wenn Howie recht hat und unsere Tage gezählt sind, könnte es meine letzte Gelegenheit überhaupt sein.
»Die Geschichte, die Sie mir neulich erzählt haben... die vom Windigo. Ich krieg sie nicht mehr aus dem Kopf.«
Seit Howie
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