Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
fragte Galiano.
»Doktor.«
»Geschlecht?«
»Doktor.«
»Wissen Sie, warum sie sich stritten?«
»Patricia hat sich nie darüber ausgelassen.«
In diesem Augenblick kam Buttercup ins Zimmer, ging direkt zu Galiano und rieb sich an seinem Hosenbein. Señora Eduardo stand auf und klatschte in die Hände. Buttercup machte einen Buckel, drehte sich um und schlich in einer Acht um Galianos Knöchel herum.
Señora Eduardo klatschte lauter.
»Sscht. Geh. Zurück zu den anderen.«
Buttercup starrte sein altes Frauchen lange an und hob den Schwanz. Die Spitze zuckte kurz, dann trottete er aus dem Zimmer.
»Tut mir Leid. Buttercup war die Katze meiner Tochter.« Ihre Unterlippe zitterte. Ich befürchtete, sie würde gleich zu schluchzen anfangen. »Seit Patricia nicht mehr da ist, gehorcht sie niemandem mehr.«
Galiano steckte seinen Notizblock ein und stand auf.
Señora Eduardo sah zu ihm hoch. Jetzt glitzerten Tränen auf beiden Wangen.
»Sie müssen das Ungeheuer finden, das Patricia das angetan hat. Sie war mein Ein und Alles.«
Galianos Kiefermuskeln strafften sich, und die Guernsey-Augen wurden feucht.
»Das werden wir, Dona. Das verspreche ich Ihnen. Wir werden ihn schnappen.«
Señora Eduardo hopste auf die Füße. Galiano bückte sich und nahm ihre beiden Hände in seine.
»Wir sprechen mit Doktor Zuckerman. Und ich möchte Ihnen noch einmal sagen, wie Leid uns Ihr Verlust tut. Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt.«
»Das war vielleicht ein selbstbewusster Kater.« Galiano trank seine Pepsi aus und steckte die Dose in den Plastikbehälter am Armaturenbrett.
»Jeder verarbeitet Verluste auf seine Art.«
»Mit Buttercup möchte ich mir’s lieber nicht verscherzen.«
»War natürlich toll für die graue Hose.«
»Die hat schon Schlimmeres gesehen.«
»Was ist eigentlich mit Señora Eduardo los?«
»Rheumatische Arthritis in jungen Jahren. Schätze, sie hörte einfach auf zu wachsen.«
Wir saßen wieder im Auto und fuhren nach einem kurzen Zwischenstopp bei einem Polio Campero, dem guatemaltekischen Äquivalent von Kentucky Fried Chicken, zurück zum Hauptquartier.
Galianos Handy bimmelte, als wir auf die Avenida 6 einbogen. Er schaltete es an.
»Galiano.«
Er hörte zu und sprach, zu mir gewandt, lautlos den Namen Aida Pera.
»Wann?«
Ich trank einen Schluck Diet Coke.
»Sagen Sie nichts von unserem Besuch. Sagen Sie nichts von diesem Anruf.«
Pera sagte etwas.
»Ermuntern Sie sie, auszugehen.«
Pera sagte noch etwas.
»Aha.«
Noch eine Pause.
»Darum kümmern wir uns.«
Galiano legte auf und warf das Handy auf den Sitz.
»Der Botschafter ist zurück und geil«, riet ich.
»Besucht seinen Liebling heute Abend um neun.«
»Das geht aber schnell.«
»Will ihr wahrscheinlich sagen, dass er eine Kirche gebucht hat.«
»Kann es sein, dass du zufällig in der Nähe bist?«
»Man weiß ja nie.«
»Warum schnappst du dir den Mistkerl nicht einfach und drehst ihn durch die Mangel?«
»Schon mal was von der Wiener Konvention über diplomatische und konsularische Beziehungen gehört?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es ist ein Konvolut, das die Möglichkeit örtlicher Behörden, Diplomaten zu verhaften oder festzuhalten, stark einschränkt.«
»Diplomatische Immunität.«
»Genau.«
»Das ist der Grund, warum New York jedes Jahr auf einer Milliarde unbezahlter Strafzettel sitzen bleibt.« Ich trank meine Coke aus. »Kann die Immunität nicht aufgehoben werden, wenn es um Schwerverbrechen geht?«
»Die Immunität kann immer nur vom Senderstaat aufgehoben werden, in diesem Fall Kanada. Wenn Kanada sich weigert, die Immunität aufzuheben, kann Guatemala nichts tun außer ihn zu PNGen.«
»PNGen?«
»Ihn zur Persona non grata zu erklären und auszuweisen.«
»Die guatemaltekischen Behörden können also innerhalb der eigenen Grenzen nicht einfach gegen jeden ermitteln?«
»Wir können ermitteln, bis wir schwarz werden, aber wir brauchen die Genehmigung der kanadischen Regierung, um einen kanadischen Diplomaten zu verhören.«
»Habt ihr schon einen offiziellen Antrag gestellt?«
»Ist in Arbeit. Wenn wir hinreichende Gründe vorweisen können, erlauben sie uns vielleicht, Specter in Anwesenheit eines offiziellen kanadischen Vertreters zu verhören –«
»Ryan.«
»Ryan und wahrscheinlich andere aus dem diplomatischen Corps. Aber jetzt kommt der Haken. Specter muss dem Verhör zustimmen. Wir dürfen ihn nicht vereidigen, und seine Aussagen dürfen nicht
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