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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Würde es irgendwelche Zweifel an Ryans Verhalten geben, hätte die Befragung viel länger gedauert.
    Absolut.
    Kurz ist gut.
    Ich schaute auf die Uhr. Ein Uhr zwanzig. Zeit, sich Luciens Rekonstruktion anzuschauen.
    Ich warf meine Papiertüten in Richtung Abfallkorb, landete zwei Treffer und ging zur Imagerie.
    Lucien war in der Mittagspause, aber sein zusammengestelltes Bild starrte mich vom Monitor an.
    Ein Blick, und meine eben errungene Fassung zersprang wie eine Windschutzscheibe in einem Schwarzenegger-Film.

23
    Patricia Eduardo lächelte nicht. Sie runzelte nicht die Stirn und zeigte auch keine Überraschung. Auf einer Ansicht umrahmten dunkle, lange Haare ihr Gesicht. In einem zweiten Bild kringelten sie sich zu dichten, schwungvollen Locken. In einem dritten waren sie kurz geschnitten.
    Ich atmete kaum, als ich die Varianten durchging, die Lucien produziert hatte. Mit Brille, ohne Brille. Gerade Augenbrauen, geschwungene Augenbrauen. Hängelider, Schlupflider. Die oberflächlichen Details änderten sich, die anatomische Grundlage aber blieb dieselbe.
    Ich kehrte eben zur zweiten von Luciens Langhaarvarianten zurück, als er die Abteilung betrat.
    »Können Sie einen Pony einfügen?«
    »Klar.«
    Ich rollte mit meinem Stuhl nach links. Lucien setzte sich vor den Computer und tippte.
    Ponys. Er justierte die Feinabstimmung.
    »Was ist mit einer Kopfbedeckung?«
    »Welche denn?«
    »Reiterhelm.«
    Er durchsuchte die Datenbank.
    »Haben wir nicht.«
    »Irgendwas mit einem Schild.«
    Er fand eine Kappe und passte sie ein.
    Ich dachte an die Schnappschüsse von Patricia Eduardo und erinnerte mich an die Entschlossenheit in den dunklen, ernsten Augen, als sie neben ihrem Pferd stand.
    Das Gesicht, das ich sah, war leer und ausdruckslos, das programmierte Resultat von Pixels und Bits. Aber das war egal. Es war das Gesicht des Mädchens auf dem Appaloosa.
    Andere Erinnerungen schossen mir durch den Kopf. Ein Tank voller Abwasser und menschlicher Überreste. Ein Schädel, dem Schlamm aus jeder Öffnung drang. Winzige Knochen in einem verrottenden Ärmel. Konnte es sein? Konnte diese neunzehnjährige Krankenhausangestellte, die Pferde liebte und sich einen Abend lang in der Zona Viva vergnügen wollte, in einem so entsetzlichen Grab ihr Ende gefunden haben?
    Ich starrte Patricia Eduardo an. Ich sah ertränkte Kätzchen. Ich sah Claudia de la Alda. Ich sah Chupan Ya.
    »Was halten Sie davon?«
    Luciens Stimme holte mich zurück.
    »Es ist gut.« Ich zwang mich zu einer ruhigen Stimme. »Viel besser als ich es geschafft hätte.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Das war es tatsächlich. Hätte ich eine so verblüffende Ähnlichkeit erzeugt, hätte ich meine Unvoreingenommenheit in Zweifel gezogen. Lucien hatte von Patricia Eduardo noch nie etwas gesehen oder gehört.
    »Bitte machen Sie mir mehrere Kopien.«
    »Ich bringe sie Ihnen ins Büro.«
    »Danke.«
    »Detective Galiano.«
    »Tempe hier.«
    »Ay, buenos días. Gut, dass du mich noch erreicht hast. Hernández und ich wollten eben weg.«
    »Die Leiche im Faultank war Patricia Eduardo.«
    »Ohne jeden Zweifel?«
    »Nicht den geringsten.«
    »Die Gesichtsrekonstruktion?«
    »Todsichere Sache.«
    Schweigen.
    »Schätze, das war eine unglückliche Wortwahl«, sagte ich. »Auf jeden Fall hat unser Grafikspezialist die Rekonstruktion blind gemacht. Patricias Mutter könnte das Ding nicht von ihrem Schulporträt unterscheiden.«
    »Dios mío.«
    Schweigen wehte von Guatemala nach Norden. Dann sagte Galiano: »Wir verhören noch immer Miguel Gutiérrez.«
    »Den Gärtner der de la Aldas.«
    »Cerote.« Scheißhaufen.
    »Ich nehme an, das heißt, er ist ein Prachtexemplar eines Mannes. Was ist seine Geschichte?«
    »Die Kurzversion lautet, dass er auf Claudia fixiert war und ihr nachspionierte. Brachte ganze Nächte im Auto vor ihrem Schlafzimmer zu.«
    »Wie nett. Ein Spanner.«
    »Schließlich wurde Gutiérrez aktiv. Er behauptet, das Opfer sei nicht abgeneigt gewesen.«
    »Sie war vermutlich zu jung, um zu wissen, wie sie ihn abblitzen lassen sollte, ohne seine Gefühle zu verletzen.«
    »Am 14. Juli fuhr er zum Museum und bot ihr an, sie nach Hause zu bringen. Claudia nahm an. Unterwegs bat er sie, ihm etwas über die Ruinen von Kaminaljuyú zu erklären. Sie war einverstanden. Dort angekommen, fuhr er in die Nebenstraße und machte sich über sie her. Sie wehrte sich, die Sache geriet außer Kontrolle. Nachdem er sie erwürgt hatte, kippte er die Leiche in den barranca.

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