Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
Der Rest ist Geschichte.«
»Hat Gutiérrez bei Señora de la Alda angerufen?«
»Ja. Er bekam spät nachts mal einen Besuch vom himmlischen Boten.«
»Einem Engel?«
»Ariel persönlich. Und der sagte Gutiérrez, er habe Scheiße gebaut und schlug einen Rosenkranz und eine Beichte vor.«
»O Gott.«
»Ich glaube nicht, dass sich der Boss auch eingemischt hat.«
»Hast du irgendwas gefunden, das Gutiérrez mit Patricia de la Alda in Verbindung bringen könnte?«
»Nada.«
»Mit dem Paraíso?«
»Noch nicht. Aber wir werden in diese Richtung jetzt viel intensiver recherchieren.«
Ich überlegte einen Augenblick.
»Die Haare bringen Patricia mit der Katze der Specters in Verbindung.«
»Daran arbeiten wir auch.«
»Ryan sieht eben zu, was er über den Botschafter herausfinden kann.«
»Ich habe ihn darum gebeten, aber ich bin nicht sehr optimistisch.«
»Diplomatische Feuertüren?«
»Die CIA ist ein Supermarkt dagegen.«
Nach einem kurzen Schweigen sagte Galiano: »Ryan hält uns über Nordstern auf dem Laufenden.«
»Wir wissen mehr, wenn wir seine Notizen durchgesehen haben.«
»Hernández und ich haben einen Laptop konfisziert, als wir sein Zimmer im Todos Santos durchsuchten.«
»Was Nützliches gefunden?«
»Ich geb dir Bescheid, wenn wir das Passwort geknackt haben.«
»Ryan ist bei so was ziemlich gut. Hör zu, Galiano. Ich will helfen.«
»Das würde mich freuen.« Ich hörte, wie er tief durchatmete. Als er wieder sprach, klang seine Stimme belegter. »Diese Todesfälle verfolgen mich, Tempe. Claudia. Patricia. Diese Mädchen waren so alt wie mein Sohn Alejandro. Das ist kein Alter zum Sterben.«
»Díaz wird schäumen, wenn er von den CT-Scans erfährt.«
»Dann besorg ich ihm ‘ne Schaumbremse.« Die Melancholie war verschwunden.
»Ich bin hier fertig. Es wird Zeit, dass ich mich wieder um Chupan Ya kümmere. Wenn ich auch dabei helfen kann, Patricia Eduardos Mörder zu finden, dann werde ich als glückliche Frau sterben.«
»Aber nicht in meinem Revier.«
»Abgemacht.«
»Ironisch, was?«, fragte er.
»Was denn?«
»Der volle Name des Täters.«
Ich brauchte einen Augenblick.
»Miguel Angel Gutiérrez.«
»Ein von Schuld geplagtes Unterbewusstsein kann einem das Kreuz brechen.«
Ich schloss meine Berichte über den Schrumpfkopf und den Torso ab und sagte LaManche Bescheid, dass ich vorhatte, nach Guatemala zurückzureisen. Er sagte mir, ich solle auf mich aufpassen und wünschte mir alles Gute.
Ryan kam an, als ich eben mit Delta Airlines telefonierte. Er wartete, während ich mir einen Gangplatz reservierte, und nahm mir dann den Hörer aus der Hand.
»Bonjour, Mademoiselle. Comment ça va?«
Ich griff nach dem Telefon. Meinem Telefon. Ryan wich aus und grinste.
»Mais oui«, säuselte er. »Aber ich spreche Englisch.«
Ich krümmte die Finger zu einer »Gib-mir«-Geste. Ryan streckte die freie Hand aus und umfasste die meine.
»Nicht wirklich. Aber Ihr Job, der ist wirklich schwierig«, säuselte er voller Verständnis. »Ich könnte mir all diese Flüge und Terminpläne nie merken.«
Unglaublich. Der Kerl flirtete mit einer Reservierungsdame im vorstädtischen Atlanta! Ich verdrehte die Augen fast um hundertachtzig Grad.
»Montreal.«
Und diese Tussi fragte ihn auch noch, wo er war.
»Sie haben Recht. Das ist nicht weit.«
Ich riss meine Hand los, ließ mich in meinen Sessel sinken, nahm einen Kuli in die Hand und ließ ihn durch die Finger wirbeln.
»Meinen Sie, Sie könnten mich noch auf demselben Flug unterbringen, den Dr. Brennan eben gebucht hat, chère?«
Ich hielt mitten in der Bewegung inne.
»Lieutenant-détective Andrew Ryan.«
Pause.
»Provinzpolizei.«
Ich höre eine entfernte, metallische Stimme, als Ryan den Hörer von einem Ohr zum anderen führte.
»Man lernt, mit der Gefahr zu leben.«
Mir wäre beinahe alles hochgekommen.
Nach einer Pause:
»Fantastique.«
Was war phantastisch?
»Das wäre großartig.«
Was wäre großartig?
»Überhaupt kein Problem. Dr. Brennan weiß, dass ich ein großer Junge bin. Sie hat sicher nichts gegen einen Mittelplatz.«
Ich setzte mich auf.
»Dr. Brennan hat etwas gegen einen Mittelplatz.«
Ryan winkte mir zu. Ich warf den Kuli. Er wehrte ihn mit offener Handfläche ab.
»Eins fünfundachtzig.«
Und blaue Augen. Ich kannte ihre Antwort, ohne sie hören zu müssen.
»Ja, ich schätze, das sind sie.« Bescheidenes Lachen.
Das war absurd.
»Wirklich. Ich will nicht, dass Sie wegen mir Ihre
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