Knochenpfade
umgedreht, um zu seinem Lieferwagen zurückzugehen, schnappte sich Scott die Kisten. Schnell trug er sie nach drinnen, weg von der Hitze und fremden Blicken. Das mussten die Sendungen sein, von denen Joe erzählt hatte. Aber er wurde nachlässig. Sie waren nicht richtig verpackt. Was dachte er sich denn dabei?
Scott nahm das undichte Päckchen, schnappte sich ein Handtuch und wickelte es um die aufgeweichte Kante. Dann trug er die Sendung in den begehbaren Kühlschrank und beschloss, es Joe zu überlassen, sich darum zu kümmern. Im Kühlraum stutzte er. Fast hätte er die Kiste fallen lassen. Auf der Rollbahre in der Mitte des Raums lag die nackte Leiche eines Jungen. Als er genauer hinsah, wurde ihm klar, dass es sich um einen schmal gebauten jungen Mann handelte.
Joe hatte nichts von einem ganzen Toten gesagt, nur Teile erwähnt. Wollte er diesen hier auch noch zerlegen, bevor der Sturm kam? Und wie hatte er überhaupt an einem Sonntag mitten in der Nacht eine Leiche transportiert?
Scott nahm an, dass er den Toten möglicherweise von einer seiner anderen Kontaktstellen abgeholt hatte. Er hatte Scott anfangs mal erzählt, dass er Leichen von Spenderprogrammen der Universität, den Leichenhallen und Krematorien bezog. Das war es wahrscheinlich. An einer anderen Lagerstelle wollten sie vor dem Sturm noch möglichst viel loswerden.
Also das war ja wohl echt … Diesmal ließ Scott die Kiste tatsächlich fallen.
Entweder wurde er langsam verrückt, oder die Leiche hatte sich gerade bewegt!
36. KAPITEL
Gerichtsmedizinisches Institut Pensacola
Maggie hatte noch nie so etwas gesehen wie den kleinen Apparat, den Dr. Tomich aus dem herrenlosen Torso herausgeholt hatte. Aber sie war sich ziemlich sicher, was es war. Sheriff Clayton war inzwischen zurückgekommen. Der hochgewachsene schlanke Mann stand am Waschbecken hinter Dr. Tomich und ragte über dessen gebeugten Schultern auf.
“Es ist ein Defibrillator”, sagte Dr. Tomich. Er hielt das Gerät mit der Pinzette unter den Wasserhahn und spülte es ab. Dann griff er zur Seite, wobei er Sheriff Clayton praktisch den Ellbogen in den Magen stieß, um den Knopf der Gegensprechanlage zu drücken.
“Matthew, kommen Sie doch mal bitte rüber. Sie müssen eine Seriennummer für mich raussuchen.”
“So einfach ist das?”, sagte Clayton. “Sie meinen, da ist eine Nummer auf dem Gerät, und Sie können das dann einem Namen zuordnen?”
“Ja, genau das meine ich.”
“Sir.” Matthew stand im Raum, bevor irgendjemand bemerkt hatte, dass er hereingekommen war.
Maggie blickte automatisch auf seine Schuhe. Sie konnte aber nur die Schutzüberzüge sehen, die sie hier alle trugen.
Dr. Tomich ließ das Gerät auf ein Edelstahltablett fallen und reichte es Matthew.
“Suchen Sie das bitte raus. Ich möchte den Namen des Patienten und seines Arztes wissen.”
“Ja, Sir.”
Als der Pathologe an den Seziertisch mit dem Torso zurückkam, bemerkte er, dass Maggie den Wagen mit den abgeschnittenen Füßen und Händen beäugte.
“Diese Teile machen Sie neugierig.”
Das war eine seltsame Bemerkung.
“Berufskrankheit”, sagte sie nur.
Dr. Tomich nickte. Er machte er eine angedeutete Verbeugung, als würde er ihr Anerkennung zollen. Dann griff er plötzlich nach dem abgetrennten Fuß und legte ihn auf einen separaten Edelstahltisch.
“Wir werden uns das mal ansehen”, sagte er. Er schob seine Brille auf dem Nasenrücken ein Stück hoch und deutete mit der anderen behandschuhten Hand auf den Torso. “Der Gentleman dort wird sicher nichts dagegen haben, wenn wir warten, bis Matthew uns seinen Namen verrät.”
Das war eine sehr unerwartete und seltene Zuvorkommenheit. Maggie wusste, dass ihr das Erstaunen ins Gesicht geschrieben stand, aber Dr. Tomich nahm keine Notiz davon. Er zog bereits ein neues Tablett mit Instrumenten hervor und stellte sein Aufnahmegerät neu ein. Sheriff Clayton, der vorher so empfindlich auf die Untersuchung des Torsos reagiert hatte, schien kein Problem mit der näheren Betrachtung des Fußes zu haben.
“Versuchen Sie diese Teile mit einem Ihrer Fälle in Verbindung zu bringen?”
Maggie brauchte einen Moment, bevor sie bemerkte, dass Dr. Tomich nicht in sein Aufnahmegerät sprach, sondern mit ihr redete.
“Diesmal nicht. Was meinen Sie, um wie viele Opfer es sich hier handelt?”
“Mindestes zwei.” Dr. Tomich beugte sich über den Tisch, als er mit der Untersuchung begann. “Es könnten auch fünf sein. Nach einem einfachen
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