Knochenpfade
Bluttest kann ich Ihnen das vielleicht ganz schnell sagen. Ausschlussverfahren. Wenn alle Teile die gleiche Blutgruppe haben, müssen wir leider auf den DNA-Test warten.”
“Wenn die Hände nicht zum Torso passen”, erkundigte sich Sheriff Clayton, “werden wir womöglich nicht herausfinden, wem sie gehören, oder? Mit den Fingerabdrücken werden wir nicht viel anfangen können, wenn sie nicht schon registriert sind.”
“Das ist interessant.” Dr. Tomich tippte auf den Knöchel. “Etwas steckt unter der Haut.”
Er nahm das Skalpell und drehte den abgetrennten Fuß auf die Seite, sodass die Innenseite des Knöchels oben lag. Auf den ersten Blick sah das Objekt, das er herausschnitt, für Maggie wie ein Stück Metall aus. Noch ein medizinisches Gerät? Eine Nadel oder Klammer, die sich an die Oberfläche gearbeitet hatte?
Dr. Tomich befreite es ganz, dann hielt er das kleine Objekt mit der Pinzette gegen das Licht.
“Ist es ein Kugelfragment?”, fragte Sheriff Clayton.
Dr. Tomich sah sich das Metallstück nur kurz an, bevor er es in ein Edelstahlbecken fallen ließ.
“Es sind noch mehr drin”, sagte er.
Nach und nach zog er vier weitere tief eingebettete Metallteilchen aus dem Fuß, die er dann in das Stahlbecken beförderte.
“Schrot?” Wieder der Sheriff.
Bevor der Pathologe dazu etwas sagen konnte, erschien Matthew wieder neben ihnen. Diesmal zuckte der Sheriff erschrocken zusammen. Er räusperte sich und verlagerte betreten sein Gewicht von einem Bein auf das andere, um seine Reaktion zu überspielen.
“Sir, ich habe die gewünschte Information.”
“Der Patient, dem dieser Defibrillator gehörte? So schnell?”
“Ja, Sir. Die Nummer ist unter dem Namen Vince Coffland aus Port St. Lucie in Florida registriert.”
“Port St. Lucie?”, schaltete sich der Sheriff ein. “Das ist über neunhundert Kilometer entfernt. Auf der Atlantikseite. Wie zum Teufel konnte der in einem Fischkühler im Golf landen?”
“Gibt es irgendwelche Informationen darüber, was Mr. Coffland zugestoßen ist?”, erkundigte sich Dr. Tomich bei seinem Assistenten.
“Man vermisst ihn seit dem zehnten Juli. Er ist nach dem Hurrikan Gaston verschwunden.”
“Vermisst?”
“Verschwunden.”
37. KAPITEL
Pensacola
Manchmal bewegten Leichen sich. Scott wusste, das war eine Tatsache, über die niemand gern sprach. Es sei denn, bei irgendwelchen Konferenzen nach ein paar Drinks. Scott selbst hatte das nie erlebt, aber schon einige Geschichten über solche sogenannten spontanen Muskelzuckungen gehört. Wenn sich ein Bein oder ein Fuß bewegte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, welche Ursache das hatte. Irgendeine biochemische Reaktion. Aber normalerweise passierte es innerhalb der ersten zehn bis zwölf Stunden nach Eintreten des Todes. Vielleicht war das alles. Aber als Scott bei Joe anrief, konnte er sich nicht mehr beherrschen. Nach dem Morgen, den er hinter sich hatte, war er mit den Nerven am Ende.
“Der Typ, den du in meinen Kühlraum gelegt hast, lebt noch!”
“Wovon redest du?”
“Er hat sich bewegt!”
Schweigen. Lange genug, um Scott seine Bemerkung bereuen zu lassen. Würde Joe jetzt denken, sein Partner drehte langsam durch? Dass er diese Sonderaufträge nicht bewältigen konnte?
“Hör mal, Mann”, sagte Joe schließlich in seiner üblichen ruhigen, coolen Art. “Ich glaube, das hast du dir nur eingebildet.” Dann fuhr er in vertraulichem Ton fort: “Alter, du hast gestern echt eine Menge getrunken.”
Etwas in Joes Stimme und dass er ihn mit “Alter” anredete, beruhigte Scott, und er entspannte sich … ein bisschen.
Als Joe dann eine halbe Stunde später ankam, hatte Scott sich schon fast selbst überzeugt, dass alles nur Einbildung gewesen war. Sein Kopf hämmerte immer noch. Vorhin hatte er sogar das Gefühl gehabt, alles nur verschwommen zu sehen. Er war nicht mehr in den begehbaren Kühlschrank gegangen, und jetzt kam er sich ein bisschen albern vor.
Scott versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren und sorgte dafür, dass seine Angestellten im Hauptgebäude zu tun hatten. Die Bestattungszeremonie für Onkel Mel musste vorbereitet werden. Die Familie wollte den verstorbenen Junggesellen unter die Erde bekommen, bevor der Hurrikan zuschlug. Scott hatte seinen Angestellten erklärt, sie dürften nicht in den hinteren Bereich des Instituts gehen, weil er den Durchgang desinfizieren musste. Diese Erklärung kam ihm selbst ziemlich absurd vor. Warum sollte man
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