Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
auch irgendwelche Vorschläge, was andere Verdächtige angeht, Ma’am?«
»Das ist nicht meine Aufgabe.«
Moe Reed schnaubte. Wenn Wallenburg es bemerkte, ließ sie es sich nicht anmerken.
Milo versuchte es noch einmal. »Huck ist geflüchtet. Ein Unschuldiger verhält sich nicht so.«
»Doch, wenn ihm durch den Justizapparat Unrecht angetan wurde.«
»Er hat Sie angerufen, weil Sie ihn schon mal gerettet haben. Sie haben ihm geraten, Ihnen seinen Aufenthaltsort nicht mitzuteilen. Oder seine Schuld zu bekennen. Dadurch können Sie auch unter Strafandrohung nicht gezwungen werden, etwas preiszugeben. Alles völlig legal, Ms. Wallenburg, aber die Moral bleibt außen vor. Können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wenn Huck wieder mordet?«
»Ich bitte Sie, Lieutenant. Sie sollten Drehbücher schreiben.«
»Das überlasse ich desillusionierten Anwälten.«
Wallenburg wandte sich mir zu. Suchte das brave Kind im Klassenzimmer. Als ich nicht reagierte, schaute sie Reed an.
Der sagte: »Huck wird gefunden, vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Machen Sie’s leicht.«
»Für wen?«
»Fangen wir mit den Angehörigen der Opfer an«, entgegnete Reed.
»Leicht für jeden außer Travis«, versetzte Wallenburg. »Vor neunzehn Jahren wurde er eingesackt wie Abfall, vor ein Scheingericht gestellt, gefoltert …«
»Wer hat ihn gefoltert?«, fragte Milo.
»Seine so genannten Pfleger. Haben Sie meinen Schriftsatz zur Urteilsrevision nicht gelesen?«
»Nein, Ma’am.«
»Ich faxe Ihnen eine Kopie.«
»Was seinerzeit passiert ist, ändert nichts an den jetzigen Fakten«, sagte Reed. »Sie sind sich sicher, dass er unschuldig ist, haben aber nichts, mit dem Sie es untermauern können.«
Wallenburg lachte. »Glauben Sie wirklich, Sie können mir etwas entlocken, indem Sie mich beleidigen? Wie wäre es, wenn Sie so etwas wie Beweise vorlegen? Nur zu, überzeugen Sie mich von seiner Schuld. Der einzige Ansatz, den Sie haben, ist seine flüchtige Bekanntschaft mit Selena Bass.«
»Das hat er Ihnen also erzählt«, sagte Milo.
Wallenburg erwiderte: »Damit ist alles klar, Sie haben nichts vorliegen. Warum bin ich nicht schockiert?«
»Glauben Sie, wir haben seinen Namen aus dem Telefonbuch?«, fragte Reed.
»Ich glaube, Sie suchen nach einer raschen und einfachen Möglichkeit, um Ihre Ermittlungen abschließen zu können.«
»Wenn ich Ihnen erklären würde, dass wir handfeste Beweise haben, würde Sie das umstimmen?«, konterte Milo.
»Kommt darauf an, was es für Beweise sind und wie sorgfältig sie zusammengetragen wurden.«
Reed lachte. »Schon wieder O.J.«
»Denken Sie, was Sie wollen, meine Herren«, sagte Wallenburg. »Tatsache ist, dass ich mich an solchen Machenschaften nicht beteilige, selbst wenn ich es könnte.«
Milo sagte: »Die Machenschaften sind …«
»Travis Unrecht zu tun. Ein weiteres Mal. Sie hätten wirklich meinen Schriftsatz lesen sollen. Er wurde so schwer verprügelt, dass er einen bleibenden Nervenschaden erlitten hat. Und wie ist es dazu gekommen? Weil er einen Rüpel weggeschubst hat, sich mit Reichtum und Macht angelegt hat.«
»Warum haben Sie dann keine Zivilklage eingereicht?«, hakte ich nach.
Wallenburg zwinkerte. »Travis lag nichts daran. Er ist nicht rachsüchtig.«
»Angenommen, beim ersten Mal ist ihm himmelschreiendes Unrecht angetan worden«, sagte Milo, »dann sind Sie die Heldin der Geschichte. Aber das hat nichts mit der jetzigen Situation zu tun.«
»Ich? Eine Heldin? Kommen Sie mir nicht gönnerhaft, Lieutenant. Ich habe lediglich meine elementare Aufgabe als Anwältin erfüllt.«
»Genau wie jetzt.«
»Ich schulde Ihnen keine Erklärung.«
Ich sagte: »Wir wissen nicht das Geringste über das Leben, das Travis von seiner Entlassung bis zur Anstellung bei den Vanders geführt hat. Als er rauskam, wollten Sie ihm bei der Integration helfen, aber er ist verschwunden und wurde obdachlos. Einem behinderten jungen Mann, der auf der Straße lebt, kann alles Mögliche widerfahren. Warum glauben Sie, dass er noch der gleiche Mensch ist wie der, den Sie seinerzeit gerettet haben?«
Wallenburg legte den Kuli hin und griff nach einem Tintenlöscher.
»Es geht um neunzehn Jahre, in denen nichts über ihn bekannt ist«, fügte Milo hinzu. »Das deutet darauf hin, dass er irgendwas zu verbergen hat.«
»Es deutet auf nichts dergleichen hin.«
»Was dann?«
Debora Wallenburg tippte mit einem langen, silbernen Nagel an den Tintenlöscher. »Sie haben
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