Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
Aufnahme der Personalien, keine Fingerabdrücke, keine Polizeifotos. Er bekam bloß einen großen Becher Wasser, eine kratzige Decke und musste sich ein zweites Mal abklopfen lassen, bei dem nichts herauskam.
Ein Filzen auf dem Flur vor Debora Wallenburgs Kanzlei hatte Fusseln, einen schwer zerkauten blauen Bic-Kuli, drei Dimes, einen Parkscheinabriss vom LAX und einen gelben Notizzettel mit einer Adresse am Washington Boulevard zutage gefördert.
»Was ist dort, Travis?«
»Ein Internet-Café.«
»Mar Vista?«
»Ja.«
»Ihre Verbindung zur Welt.«
Schweigen.
»Haben Sie kein Bargeld?«
»Ich hab alles ausgegeben.«
»Debora wollte für Nachschub sorgen.«
Keine Antwort.
»Sie reisen mit leichtem Gepäck, mein Freund«, sagte Milo.
Achselzucken.
»Wo ist Ihr Ausweis?«
»Ich … habe ihn verloren.«
»Na klar.«
»Sie wissen doch, wer ich bin.«
»So ist es.« Milo wedelte mit dem Parkscheinabriss. »Passt der zu dem, den wir in Simons Lexus gefunden haben?«
»Tut mir leid«, flüsterte Huck.
»Was?«
»Dass ich ihn dort stehen gelassen habe.«
»Um uns in die Irre zu führen - ein ziemlich alter Trick, mein Freund.«
»Tut mir leid.«
»War das Ihre glänzende Idee oder die von Debora?«
Die Antwort kam zu schnell. »Meine. Ich bezahle das Abschleppen.«
Reed und ich sahen durch die Einwegscheibe zu, wie Milo sich hinter Huck stellte und ihm dann gegenübertrat. Huck stützte sich auf die Lehne des Stuhl.
»Setzen Sie sich, Travis.«
»Mir geht’s gut.«
»Setzen Sie sich trotzdem.«
Huck gehorchte.
»Was wollen Sie mir noch erzählen, Travis?«
»Mir fällt nichts weiter ein, Sir.«
Milo wartete.
»Wirklich, Sir«, sagte Huck.
»Okay, setzten Sie sich’ne Weile hin - ist die Temperatur in Ordnung?«
»Ja.«
»Wenn’s zu kalt wird, haben Sie die Decke.«
»Danke.«
Milo ging hinaus und kam zu uns in den Nebenraum. Auf der anderen Seite der Scheibe war ein milchiger Fleck; getrockneter Schweiß oder irgendein anderer Körpersaft. Huck hockte genau darunter.
Ein Mann unter einer Wolke.
Wir beobachteten ihn, während er dasaß. Irgendwann ging er in die Ecke und legte sich hin. Schlug den Arm über die
Augen und rollte sich ein, machte sich kleiner, als ich es für möglich gehalten hätte.
Moe Reed gähnte. »Geht doch nichts über einen Actionfilm am frühen Morgen.«
Innerhalb weniger Sekunden schlief Huck mit offenem Mund.
»Der ist ja ziemlich gelassen für’nen Typen, der von Schuldgefühlen geplagt wird«, sagte Reed.
»Oder er flüchtet vor der Realität«, erwiderte ich.
»Vielleicht wurde er gelinkt, aber man kann sich einfach nicht vorstellen, dass er völlig sauber ist.«
»Ich glaube, sein Verstand funktioniert anders.«
»Ist das nicht genau der Knackpunkt, Doc? Er spinnt, und deshalb ist er leicht zu beeinflussen.«
»Ich weiß, dass der offensichtliche Verdächtige für gewöhnlich auch der Richtige ist, aber die Art und Weise, wie wir über Ihren Bruder geradewegs zu Huck geführt wurden, hat mir die ganze Zeit zu schaffen gemacht. Hucks Einlassung, dass Simone ihre Familie hasst, passt du den verstümmelten Bildern, die Aaron in ihrem Müll gefunden hat. Und dass sie lügt, wenn sie sagt, sie verabscheut Buddy Weir, deckt sich ebenfalls mit dem, was Aaron gesehen hat, nämlich dass Simone und Weir eine Beziehung haben.«
»Blut und Spielzeuge«, sagte Reed. »Schöne Beziehung.«
Ich fuhr fort: »Die spärlichen Lebensmittel in Simone Vanders Müll passen zu einer Bulimie, desgleichen ihre Erziehung und die Figur. Hucks Aussage klingt alles in allem wahr. Und ohne die Perücke könnte Buddy Weir der Kahlköpfige sein, den die Haushälterin von Selenas Vermieterin gesehen hat. Er passt auch besser als Huck zu dem reizenden, dominanten Mann, den DeMaura Montouthe beschrieb. Nachdem er sie bei einer Sexparty kennen gelernt hatte, könnte Weir auch gewusst haben, wo Selena wohnt, oder er hat es
von Simone erfahren. Jedenfalls wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, ihren Computer mitzunehmen, aber die Sachen dazulassen, die er in der Schublade ihres Schranks gefunden hat.«
»Der Kahlköpfige könnte genauso gut auch Huck sein«, sagte Reed. »So wie er über Selena geredet hat - dass sie und Simone kichernd angekommen sind und dass er die tief sitzenden Jeans erwähnt hat. Für mich hat das so geklungen, als ob er auf beide scharf war. So ein Typ, der nicht zum Zug kommt, wenn er nicht dafür bezahlt, läuft doch auf Hochtouren, wenn zwei
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