Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
Hälfte der Dialoge war auf Italienisch, der Rest war Pantomime - eine Art Hommage an Pasolini, aber eigentlich konnte keiner von denen Italienisch.«
Sein Bruder sagte: »Und der Oscar geht an.«
»Hey, wir können nicht alle auf Koffein laufen.«
Milo unterbrach die beiden. »Und was war mit Selenas zweitem Besuch?«
»Das war, als ich sie gebeten habe, übers Wochenende zu kommen, damit ich sie Cleo vorstellen konnte - damals war sie meine Liebste, jetzt ist sie meine Frau. Wir haben gerade unser erstes Kind gekriegt. Deswegen sollte ich eigentlich daheim sein. Können wir also bitte weitermachen?«
Milo lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Wenn Sie uns nichts mehr zu sagen haben, können Sie jederzeit gehen.«
Marc rieb sich seinen Unterlippenbart, schob die Haare hinter das linke Ohr. Jetzt sah man die blaue und grüne Tinte, die sich über seinen Hals zog. Cleo stand dort, inmitten von Weinranken. Ich konnte nur hoffen, dass die Ehe hielt.
»Ach zum Teufel«, sagte er. »Ich habe für heute Abend um neun reserviert. Jetzt umzubuchen wäre sinnlos.«
»Selena hat dich also zweimal besucht, was?«, sagte Chris. »Bei mir hat sie sich nicht mal die Mühe gemacht zurückzurufen.«
»Ich nehme an, sie war zu beschäftigt für Firmenklatsch.«
Chris wandte sich von seinem Bruder ab.
Milo hakte nach: »Sie haben sie angerufen …«
»Bloß um zu sehen, wie’s ihr geht.«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
»Ich weiß nicht … Vor zwei Jahren vielleicht.«
»Offensichtlich pflegen wir unsere familiären Kontakte«, sagte Marc.
Isabelle Green-Bass sagte: »Chris’ und Marcs Vater und ich haben uns getrennt, als die Jungs ein und drei Jahre alt waren, und seither hat er nie wieder was von sich hören lassen.« Sie warf ihren Söhnen einen missbilligenden Blick zu, als wären sie an allem schuld. »Ein Jahr später habe ich Selenas Vater kennen gelernt. Dan war gut zu euch.«
Kein Widerspruch.
»Dan ist gestorben, als Selena sechs war. Ich habe sie alleine großgezogen, und ich bin mir sicher, dass es ein paar Leute gibt, die sagen, ich hätte das vermasselt.«
»Du hast das gut gemacht, Mom«, erwiderte Chris.
»Können wir uns weiter auf Selena konzentrieren?«, sagte Marc.
Schweigen.
»Warum lassen wir uns ablenken?«, fragte er dann. »Selena war begabt, aber im Grunde genommen so brav, wie man nur sein kann. Ich will damit nicht sagen, dass sie nie einen Joint geraucht hat. Aber selbst wenn sie und Mom ihre Auseinandersetzungen hatten, hat sie nie irgendwas Schlimmes gemacht, sich zum Beispiel mit fragwürdigen Leuten eingelassen. Ganz im Gegenteil. Wir haben sie immer ›Schwester Zet‹ genannt. Wie in ›Zölibat‹.«
»Sie hat sich selber so genannt«, sagte Chris.
»Was ist mit Freunden?«, fragte Milo.
»Nichts«, sagte Marc.
»Mrs. Green-Bass?«
»Nein, ich habe nie jemanden gesehen.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht. Marc tätschelte seiner Mutter die Schulter. Sie entzog sich ihm.
»Oh Gott«, sagte sie durch ihre Finger. »Das ist alles so schrecklich.«
Marcs Unterlippe bebte. »Ich will ja bloß sagen, Mom, dass es sich Selena nicht selber eingebrockt hat. So ein Mist passiert einfach, das Leben ist ätzend. Als ob man vom Bürgersteig tritt, und irgendein Arschloch kommt angebrettert. Das ist mir gerade passiert. Kurz nachdem Cleo Phaedra zur Welt gebracht hat. Ich hab das Krankenhaus verlassen, um Sekt zu besorgen, bin regelrecht geschwebt. Ich trete vom Gehsteig, und wie aus heiterem Himmel kommt dieser verfluchte Lieferwagen vom San Francisco Examiner daher und verfehlt mich um Haaresbreite.«
»Marcus, erzähl mir keine solchen Sachen! Ich will das nicht hören !«
Milo räusperte sich. »Ihres Wissens nach hatte Selena also keinen Freund. Was ist mit Freundinnen? Leuten, mit denen sie sich hier in L.A. rumgetrieben hat?«
Keine Antwort.
Isabelle sagte: »Allem Anschein nach war sie mit ihrer Arbeit glücklich. Das hat sie mir irgendwann einmal gemailt.«
»Diesen reichen Jungen unterrichten«, sagte Marc. »Sie hat gesagt, es wär ein Traumjob. Sie hat mich deswegen angerufen, weil ich ebenfalls was mit Musik zu tun habe. Habe früher Bass gespielt. Nicht dass ich Selena je das Wasser reichen konnte. Ich kann was, aber sie ist genial. Hat sich ans Klavier gesetzt, als sie drei war, und das verfluchte Ding einfach gespielt . Mit fünf konnte sie Gershwin nach dem Gehör spielen. Man konnte ihr irgendwas geben, und
Weitere Kostenlose Bücher