Knochensplitter

Zehen. Aber sie macht dabei kein Geräusch.
    Sonst kommen nämlich die Monster zurück.
    Hinter sich hört sie ein Stöhnen.
    Sie dreht sich um, spürt die kalte Kette an ihrem Kinn. Mami redet wieder im Schlaf.
    »Nein … Nicht … Ich will nicht …« Dann zuckt ihr Mund, geht auf und zu und macht dabei leise Schmatzgeräusche. Mami dreht sich auf die Seite. Die Kette an ihren Fußknöcheln klirrt gegen das Metallbett. »Nein …« Dann atmet sie wieder ganz langsam und gleichmäßig ein und aus.
    Teddy Gordons Augen funkeln in dem dunklen Zimmer. Er liegt auf dem Bett, auf der Seite wie Mami, und starrt sie an.
    Schnell dreht sie den Kopf wieder nach vorne. Sieht ihn nicht an. Sieht nicht in diese glänzenden Augen. Einmal hat sie beobachtet, wie eine Krähe ein zerquetschtes Kaninchen gefressen hat, auf einem Parkplatz, während Papa hinter einem Baum Pipi gemacht hat. Die Krähe hatte Augen wie Teddy Gordon: schwarz und glänzend und schrecklich.
    Schau geradeaus. Beweg dich nicht. Mach kein Geräusch. Sei ein braves kleines Mädchen.
    Da – ein Klacken. Sie zuckt zusammen, und ein kleiner Quiekser entweicht durch ihre Lippen.
    Ein dumpfer Schlag.
    Dort drüben in der dunklen Ecke, wo irgendwo die Tür ist.
    Ein Klirren.
    Augen nach vorne. Keine Bewegung. Sie beißt sich so fest auf die Lippen, dass es wehtut und nach glänzenden neuen Pennys schmeckt.
    Klomp-klomp-klomp.
    Ein Schatten schiebt sich vor den dünnen Sonnenstrahl und macht die glitzernden Feen tot.
    Die Stimme des Monsters ist ganz metallisch und summend, wie bei einem Roboter. »Hallo, Schnuckelbärchen …«
    Sie macht die Augen zu.

15
    »– Gedenkgottesdienst morgen um zwölf Uhr mittags. Sarah Williamson ist jetzt für uns in der Kirche. Gibt es etwas Neues, Sarah?«
    Das Fernsehbild wechselte zu einer Frau in einem schwarzen Mantel. »Vorläufig wissen wir nur, dass der Gedenkgottesdienst definitiv für alle offen sein wird, die kommen wollen, um Jenny ihre Reverenz zu erweisen. Ich kann Ihnen auch sagen, dass Robbie Williams dabei sein wird, ebenso wie Katie Melua und eine ganze Reihe weiterer Stars, die anschließend alle nach London zurückfliegen werden, um an einer Live-Sonderausgabe von Britain’s Next Big Star zu Ehren von Jenny teilzunehmen.«
    »Ui …« Samantha rückte auf der Couch vor. »Du musst den Rekorder programmieren.«
    Logan nahm noch einen Schluck Wein, um den letzten Bissen der Pasta, die es zum Abendessen gegeben hatte, herunterzuspülen. »Wieso müssen wir den Apparat mit dieser Scheiße zumüllen?«
    Es war einen Moment still. »Du bist echt ein unmöglicher Fernseh-Snob.«
    »Ich bin kein Snob.«
    »Bloß weil du es nicht magst, ist es noch lange nicht scheiße.«
    »– werden Gaststars mit den Songs auftreten, die Jenny und ihre Mutter –«
    »Es ist Scheiße. Bloß wieder eine von diesen blöden Reality- TV -Geschichten, wo irgendwelche Idioten sich zum Affen machen, nur um in die verdammte Glotze zu kommen.«
    »Geht das schon wieder los.« Ihre schwarze Lederjeans quietschte auf dem Couchbezug, als sie die Knie an die Brust zog. »Als ob das, was du glotzt, so wahnsinnig intellektuell wäre.«
    »– eine Benefiz-Single, die schon als die neue Nummer eins gehandelt wird. Darüber sprachen wir mit Gordon Maguire, dem Geschäftsführer von Blue-Fish-Two-Fish Productions –«
    »Wenigstens schaue ich –«
    » Die Simpsons sind wohl neuerdings ein politisches Magazin, wie?«
    Auf dem Bildschirm erschien ein Mann in mittleren Jahren mit T-Shirt und Jackett. Er hatte modische Koteletten mit ausrasierten Stellen, ein Unterlippenbärtchen, einen Dundee-Akzent und eine kahle Stelle am Hinterkopf. »– nicht vergessen, dass die Kidnapper immer noch Alison in ihrer Gewalt haben, und wir alles daransetzen müssen –«
    »Ich sag ja nur, dass es Ausbeutung ist, okay? Es –«
    »Hast du es dir überhaupt mal angeschaut?«
    »– müssen wir weiterhin möglichst viel Geld sammeln, solange noch die Chance besteht, sie heil nach Hause zu holen.«
    »Was? Ich muss mir das gar nicht anschauen –«
    »Siehst du!« Sie rammte einen schwarz lackierten Fingernagel in die Armlehne der Couch. »Du hast nicht den leisesten Schimmer, wovon du redest!«
    »– danke Ihnen. Und jetzt geht’s weiter mit Gail und den Wetteraussichten.«
    Logan sank noch tiefer in die Couchkissen. »Können wir vielleicht –«
    »Abgesehen von allem anderen ist das doch gerade der Grund, weshalb Jenny und Alison entführt wurden. Wenn sie nicht