Knochenzeichen
studierte. »Okay, das hier war die nächste Niete. Ich dokumentiere sie und mache mit der nächsten weiter. Nein.« Nahtlos wechselte sie das Thema, um Caits Frage zu beantworten. »Afghanistan, glaube ich. Er ist irgendeine Art Spezialist, behauptet Steve. Offen gestanden, hab ich nicht so genau zugehört. Wenn ich nicht im Labor bin, habe ich eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Vor allem, da ich ernsthaft erwogen habe, ihm an die Wäsche zu gehen. Mich hemmungslos über ihn herzumachen, genauer gesagt.«
Ein Spezialist? Oder einer von den Special Forces ? Cait sann über die neue Information nach, während sie gleichzeitig mit großer Sorgfalt den Waschpuffer vorbereitete. Bestimmt waren es die Special Forces gewesen. Sharper hatte diesen harten, animalischen Blick, den man bekam, wenn man Dinge erlebt hatte, die sich niemand ausmalen, geschweige denn mit eigenen Augen sehen sollte.
Einen Blick, den sie immer noch gelegentlich in ihrem eigenen Spiegelbild auffing, wenn auch mit jedem Jahr weniger. Da dämmerte ihr, dass hinter der bissigen Fassade des Mannes vielleicht wesentlich mehr steckte, als sie ursprünglich angenommen hatte.
Vielleicht war er ebenso geschickt im Aufsetzen von Masken wie sie selbst.
Sie musste an die gebrochenen Wirbel an jedem der skelettalen Überreste denken, und es lief ihr eiskalt über den Rücken. Sie nahm sich vor, Raiker anzurufen. Die Art von Informationen, an die er nicht herankam, musste erst noch erfunden werden. Und es könnte eventuell interessant sein, welche Art von Informationen sich in Sharpers militärischen Unterlagen finden ließen.
Cait fuhr im Bett in die Höhe, schlagartig wach geworden, aber ohne Orientierung. An den Rändern der Jalousien vor den Fenstern ihres Motelzimmers schimmerte ein matter Lichtschein. Doch es war noch früh. Zu früh.
Auf dem Nachttisch klingelte zum wiederholten Mal ihr Mobiltelefon und erinnerte sie daran, was sie geweckt hatte. Sie griff danach, musterte die Nummer auf dem Display und drückte die Annahme-Taste.
»Wenn Sie mein morgendlicher Weckanruf sind, sind Sie zwei Stunden zu früh dran.«
Adam Raikers schroffe Stimme drang an ihr Ohr. »Ich dachte, in Ihrer E-Mail hätte es geheißen, Sie bräuchten diese Information ganz dringend.«
Cait stopfte sich ein zweites Kissen in den Rücken, lehnte sich ans Kopfteil und unterdrückte ein Gähnen. Sie war erst spät ins Bett gekommen. Da die Ostküste der Westküste um drei Stunden voraus war, hatte sie ihre Anfrage rücksichtsvollerweise per E-Mail an Raiker geschickt, statt ihn anzurufen.
Allerdings wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin noch wach gewesen, als sie die Mail abgeschickt hatte. Gelegentlich hegte sie den Verdacht, dass der Mann überhaupt nie schlief.
»Dann haben Sie die Information für mich schon?«
»Ich habe etwas. Liegt bei Ihnen, ob Sie noch mehr brauchen.« Am anderen Ende hörte man Blätter rascheln, ehe Raiker vorzulesen begann. »Zachary Dalton Sharper, Alter sechsunddreißig, vor zweiundsechzig Monaten ehrenhaft aus der Army entlassen. Hat insgesamt zwölf Jahre gedient, davon zehn bei den Rangers. War bei zahlreichen Einsätzen in Afghanistan und im Irak dabei. Beeindruckende Kämpfer-Akte. Jede Menge Auszeichnungen: zwei Silver Stars, Distinguished Service Cross, Purple Heart … Anscheinend ist Ihr Oregoner Kriegsheld ohne Fehl und Tadel.«
»Haben Sie vielleicht auch ein paar besondere Quellen angezapft und etwas über seine Ausbildung herausgefunden?«
»Dachte mir schon, dass Sie das wissen wollen.« Es war immer schwer zu sagen, ob Raikers barscher Ton seiner Wesensart entsprang oder auf die Wunden zurückzuführen war, die er beim letzten Fall, den er fürs FBI bearbeitete, erlitten hatte. Die entstellende Narbe, die sich quer über seinen Hals zog, wies darauf hin, dass er dort wohl innere Schäden davongetragen hatte. Doch nach allem, was sie von ihm wusste, sagte sich Cait, dass es das eine ebenso gut wie das andere sein könne. »Hat mehrere Jahre mit direkten Kampfeinsätzen zugebracht, ehe er Mitglied eines RRD-Teams wurde. Regimental Reconnaissance Detachment. Er war Gruppenführer, ehe er aus der Army ausgeschieden ist.«
Der Titel sagte ihr nichts. »Und das heißt?«
Ein kurzes Bellen war zu hören, das bei ihrem Chef als Lachen galt. »Es gibt genau zwölf solche Männer in der ganzen Rangers-Abteilung. Sie sind auf heimliches Einschleusen hinter die feindlichen Linien und das Sammeln geheimer Informationen
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