Knockemstiff (German Edition)
Fußgeruch des Truckers wurde Daniel schlecht. »Später vielleicht«, sagte er. All seine Nervenenden waren wie nackt, die Schutzschichten vom Speed weggebrannt. Selbst der Schein der Lampe tat ihm in den Augen weh.
»Wie wär’s dann mit ’ner Dusche?« brüllte der Trucker aus der Küche. Daniel hörte, wie Schubladen aufgezogen wurden und Schranktüren knallten.
Daniel ging ins Bad und entdeckte dort ein Taschenbuch, einen Western, die Seiten vom Wasser ganz aufgedunsen. Auf dem dreckigen blauen Linoleum lag ein alter Straßenatlas. Daniel zögerte, dann schloss er ab und zog sich aus. Er schob den Jutesack beiseite, der als Duschvorhang diente. Die Wanne war mit hartem grauem Dreck verkrustet. Er riss ein paar Seiten aus dem Atlas und deckte den Schlamm mit den endlosen Highways Amerikas zu. Es gab keine Seife, er brauste sich mit kaltem Wasser ab und trocknete sich mit dem schmutzstarren, blutigen Handtuch ab, das an einem Nagel an der Wand hing. Dann zog er sich wieder an und ging ins Wohnzimmer.
Cowboy Roy saß auf dem Sofa und hielt eine Dose Bier in der Hand. Er grinste Daniel an und bleckte dabei seine braunen Zähne wie ein Köter. Er öffnete die Pillendose, warf sich ein paar Muntermacher in den Mund und spülte sie mit Bier herunter. »Schau mal, was ich gefunden habe«, sagte er, griff nach unten und zog vorsichtig eine langhaarige blonde Perücke aus einer Plastiktüte auf dem Boden.
»Was zum Teufel?« sagte Daniel und machte einen Satz rückwärts. Plötzlich fühlte er sich wie in einem Sarg, und das Haar, das der Trucker da in der Hand hielt, war dasselbe, das daheim in den Gräbern auf dem Hügel weiterwuchs.
»Ach, komm schon«, sagte der Trucker. »Wir albern doch nur ein bisschen rum.«
»Wem gehört die?« wollte der Junge wissen.
»Die gehörte meiner Mom«, antwortete Cowboy Roy. »Aber die braucht sie jetzt nicht mehr. Der Krebs hat ein sauberes Loch durch sie hindurchgefressen.« Er hielt Daniel die Perücke hin. »Na los, probier sie auf.«
Daniel machte noch einen Schritt zurück. »Nein, lieber nicht«, sagte er.
»Du hast doch geflennt, du hättest keine Haare mehr, oder nicht?« setzte Cowboy Roy nach. »Ich versuch dir doch nur zu helfen.«
»Ich weiß nicht«, sagte der Junge. »Ist irgendwie komisch.«
»Junge, dein Dad hat dich dabei erwischt, wie du eine Puppe gevögelt hast«, entgegnete Cowboy Roy. »Wenn das nicht komisch ist, dann weiß ich nicht.«
Daniel fuhr sich mit der Hand über die Stoppeln auf dem Kopf. Irgendwo im Raum zirpte eine Grille. Er schaute zum Fenster hinaus und sah, wie sich die Nacht über das ihm unvertraute Land legte. Ihn erstaunte der Gedanke, dass er erst an diesem Morgen aus dem Bett geschlichen war, als seine Eltern noch schliefen, und nun war er Hunderte von Meilen von zu Hause weg. »Okay«, willigte er schließlich ein.
»Jetzt kommen wir endlich zur Sache. Wieso willst du auch so rumlaufen, wenn du nicht musst?« sagte der fette Kerl und wischte sich mit der Perücke den Schweiß aus dem aufgedunsenen, roten Gesicht. »Also gut, stell dich einfach vor den Spiegel da, ich helf dir. Ich hab die meiner Mom auch immer aufgesetzt.«
Daniel ging zu dem großen ovalen Spiegel an der Paneelwand und trat nervös von einem Bein aufs andere, während Cowboy Roy ihm die muffige Perücke aufsetzte. »Halt still«, befahl er dem Jungen und zog ihm das Gummiband der Perücke über den Schädel. »Sie soll ja richtig sitzen, oder?« Der Trucker sah Daniel über die Schulter und grinste ihn im Spiegel an. Der Junge spürte, wie sich die Wampe des Mannes an ihn drückte.
Schließlich sagte der Trucker: »Nicht schlecht, was meinst du?«
Die langen Haare stürzten Daniels knochigen Rücken in Wellen hinunter, ein Gewirr aus blonden Locken. »Ein bisschen lang, oder?« fragte der Junge.
»Kein Problem, kriegst einen Haarschnitt«, erwiderte der Trucker. »Bin sofort wieder da.« Er eilte in die Küche und kam mit einem schartigen Filetiermesser zurück. »Ich find keine Schere, aber das geht auch.« Er packte mit seinen knubbeligen Fingern ein paar Haare. »So viel ungefähr?« fragte er den Jungen.
»Vielleicht sollte ich das machen«, sagte Daniel.
»Zuck nur nicht.«
»Das hat mein alter Herr auch gesagt.«
»Ach ja, hab ich vergessen«, sagte der Trucker. »Ich werd dir schon nicht wehtun. Das verdammte Ding hat dreißig Dollar gekostet.«
»Also gut.«
Der Trucker fing an und kaute auf seinen aufgeplatzten Lippen herum, während er
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