Knockemstiff (German Edition)
es mir glatt das Herz«, sagte er zu Daniel. Sein Lieblingsessen waren Bohnen mit Schweinefleisch. »Ess ich direkt aus der Dose«, sagte er, »genau wie die Cowboys.« Er hatte ein kleines Stück Land geerbt, und als sie am Abend nach Illinois kamen, lud er Daniel ein, doch über Nacht zu bleiben. »Ist ganz schön einsam auf der Ranch, seit Mom gestorben ist«, sagte er, und seine Stimme brach ein wenig.
Daniel war ganz überrascht, dass die Landschaft sich nicht veränderte, seit sie Ohio verlassen hatten. Er hatte stets gedacht, jeder andere Staat sei eine exotische Welt, aber bislang sah alles aus wie in einer
Lawrence Welk Show
über Tubaspieler. In der Zwischenzeit hatten ihn Pillen und Whiskey zu einer wahren Plaudertasche werden lassen, und bevor er sich versah, hatte er Cowboy Roy die ganze traurige Geschichte mit Lucy und dem Fleischmesser erzählt.
»Hört sich irgendwie schräg an«, sagte der Trucker. Er zündete sich den Stumpen einer dürren schwarzen Zigarre an, die er hinter dem Ohr stecken hatte, und pustete dem Jungen eine Qualmwolke ins Gesicht.
»Es wäre schulterlang gewesen bis zum Schulanfang«, klagte Daniel und zitterte unter der Wirkung des Speeds.
»Puppen haben mich nie sonderlich interessiert«, sagte Cowboy Roy. »Ich meine, die liegen da nur rum, verstehst du, was ich meine?«
»Meine kleine Cousine hat eine, die redet, wenn man an einer Schnur zieht«, sagte der Junge und wiegte sich hin und her; er konnte nicht stillsitzen.
»Schade, dass sie keine lebendigen Puppen verkaufen«, sagte der Mann und rieb sich die blutunterlaufenen Augen mit der Faust.
Schließlich stellten Daniel und der Trucker den Auflieger auf einem mit Schlaglöchern übersäten Parkplatz am Rande einer Kleinstadt ab. Dann fuhren sie noch etwa eine Stunde weiter, und kurz vor Einbruch der Dunkelheit bog der Trucker in eine lange, einsame, von Kiefern gesäumte Zufahrt ein. Er stellte den Truck vor einem uralten Wohnmobil ab, auf dem in großen roten Buchstaben PONDEROSA gesprüht stand. »Ich hab hier fünf Hektar«, erklärte der Trucker, während die beiden durch das Unkraut auf den Trailer zugingen. »Wir könnten hier ein Rodeo aufziehen, wenn wir wollten.«
Der Mann stieg ein paar Zementblöcke hinauf, schob einen Schlüssel ins Schloss und drückte die Tür auf. »Ist keine tolle Ranch, aber gut genug«, sagte er und winkte den Jungen herein. Der Trailer stank wie ein Schrank voller schlechter Zeiten. Alle Fenster waren zu, und es waren sicher mehr als vierzig Grad darin. Schwarze Fliegen krabbelten an den Wänden. Eine schuppige braune Schlangenhaut lag auf der Küchentheke ausgebreitet. Daniel sah sich um, entdeckte leere Whiskeyflaschen und Bohnendosen auf dem Boden. Der schäbige Zustand des Trailers erinnerte ihn an sein Zuhause und schnürte ihm plötzlich die Kehle zu.
Er bat Cowboy Roy um eine weitere Pille. »Ich kann bezahlen«, sagte er und griff nach ein paar zerknüllten Ein-Dollar-Scheinen, die er in der Hosentasche hatte. Sechzehn Dollar, das war alles, was er vom Brombeerpflücken im Sommer noch übrighatte. Er hatte die Beeren in den Senken jenseits des Pumpkin Centers gesammelt und war dann von Tür zu Tür gegangen und hatte sie für dreißig Cent das Viertelpfund verkauft.
»Scheiß drauf, Partner, dein Geld ist hier nichts wert«, sagte der Trucker. »Was mein ist, ist dein.« Er holte das Fläschchen aus der Seitentasche seines Overalls, machte es auf und gab Daniel noch zwei Pillen; dann ließ er sich auf ein durchgesessenes Sofa plumpsen. »Kannst du mir mal die Stiefel ausziehen?« fragte Cowboy Roy. »Meine armen Füße bringen mich um.«
Daniel ging vor dem Trucker auf die Knie und zog ihm beide Stiefel aus. »Die Socken auch?« bat Cowboy Roy. Der Junge zog die feuchten, dreckigen Socken herunter und wurde fast umgehauen von dem fauligen Gestank, der von den faltigen roten Füßen ausging und den engen Raum füllte. Der Gestank erinnerte ihn an den Kotzeimer, den seine Mom immer neben das Sofa stellte, wenn sein Alter besoffen war.
»Hier ist es ganz schön heiß, nicht?« sagte der Junge, stand auf und tat einen Schritt zurück.
»Ja, Mom hat gleich im ersten Jahr, als ich auf Achse war, alle verdammten Fenster zugeschraubt«, sagte Cowboy Roy. »Die arme alte Frau hatte immer solche Angst, wenn ich weg war.« Dann wuchtete er sich vom Sofa und ging in die Küche. »Was wir jetzt brauchen, is’n kaltes Bier.«
Schon bei dem Gedanken an Alkohol in Verbindung mit dem
Weitere Kostenlose Bücher