Knockemstiff (German Edition)
grauen Fusseln behaftet. Und obwohl sie womöglich die beste Frau war, mit der Del Murray je zusammen gewesen war – haufenweise roher Sex, die neuesten Psychopharmaka, Schecks von der Regierung –, war es ihm immer noch peinlich, sich mit ihr in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Jeder, der schon mal mit einer Bekloppten zusammen war, wird begreifen, womit er es zu tun hatte.
Del zog sich eine Schachtel Waschpulver aus einem kleinen Automaten, der exorbitante Preise verlangte, und schüttete einen Großteil davon in die Waschmaschine. Dann ging er hinüber zur Pinnwand. Jeder Waschsalon hat so eine Wand, an der die Leute ihren Schrott anbieten oder Tagesmütter für ihre Kinder suchen können. Diesmal hing dort der Hinweis auf eine große Zeltmission im hoffnungslosen Teil des Ortes, ein grob gefertigter Flyer, der ein besseres Leben versprach, etwas, wonach Del sehr lange gesucht hatte. In einer Ecke des Flyers schwebte ein Cartoon-Jesus auf einer rosa Wolke über die Erde, in einer anderen hockte ein blutiger Unhold in einer Gefängniszelle und verspeiste einen Teller mit Totenköpfen, die wie Eingemachtes beschriftet waren: JUNKIE, SÄUFER, HOMO, HURE, ATHEIST . Der Flyer zielte darauf ab, den Leuten, die ihre Wäsche im Salon wuschen, einen Mordsschrecken einzujagen. Vor allem aber brachte er ein paar Erinnerungen zurück. Er gemahnte Del an die Zeit, als Randy und er ein ganzes Jahr damit vergeudet hatten, in die Shady Glen Church of Christ in Christian Union zu gehen, nur um einen Preis zu gewinnen, eine kleine rote Bibel, die dann am ersten heißen Tag auseinanderfiel. Damals waren sie acht Jahre alt gewesen.
Ein paar Jahre nachdem sie die Sonntagsschule geschmissen hatten, schrieben sich Randy und Del für einen Charles-Atlas-Fernkurs ein. Das war zu einer Zeit, als ein Junge seinem Leben noch dadurch eine andere Richtung geben konnte, dass er die Bestellformulare am Ende eines Comic-Hefts ausfüllte, vor langer Zeit also, lange bevor das Fischstäbchen-Mädchen überhaupt geboren war. Jede Woche war mit der Post ein neuer Umschlag mit Übungsanleitungen gekommen, aber Del konnte sich nicht dafür begeistern. All die Mühe, nur damit man am Ende ein Telefonbuch zerreißen konnte. Stattdessen klaute er aus Gray’s Drugstore in Meade ein Taschenbuch mit dem Titel
Reds
. Del las nicht sonderlich gern, aber er brauchte etwas, um die Zeit totzuschlagen, bis auch Randy es endlich aufgab, sich einen anderen Körper zu erschaffen.
Del sollte
Reds
nie wieder vergessen. In jenem Sommer las er das Buch wohl ein Dutzend Mal. Es hatte auf ihn die gleiche durchschlagende Wirkung wie die Meldung im Radio, dass ein Mann sich den Arm mit einem Dosenöffner aufgeschlitzt hatte, um sich die Drogen mit einem Strohhalm direkt in die blutige Wunde pusten zu können. In dem Buch gabelt ein adretter Held namens Cole zwei Ausreißerinnen auf, die sich dann im neuen Lincoln seines Dads Schlaftabletten spritzen. Für Del war es, als hätte plötzlich jemand ein Licht angemacht, und als er zu der Stelle kam, bei der sich die durchgeknallten Schlampen Acid einwerfen und die Hippiebude abfackeln, wusste er ganz genau, wie sein Leben aussehen sollte.
»Mann, das musst du lesen«, sagte Del und wedelte mit seinem Buch vor Randys Nase herum. Sie hörten sich gerade Jimi Hendrix an, Randy stand am offenen Fenster und machte nackt seine Übungen. Charles Atlas hatte es mit Sonnenschein und frischer Luft, was vollkommen in Ordnung gewesen wäre, hätte man auf dem Mond gelebt, aber in ihrer Gegend stank vom Smog der Papierfabrik alles nach faulen Eiern. Randy hatte
Purple Haze
schon so oft durchgenudelt, dass die Platte hing und Jimi immer wieder sang: »… while I kiss the sky … while I kiss the sky«. Del warf über Randys Schulter hinweg einen Blick zum Fenster hinaus und sah eine schmutzige braune Wolke vorbeischweben, hoch über Knockemstiff, hoch über der Senke, in der sie lebten.
Randy blickte auf den Umschlag, auf das Bild des jungen Typen und der beiden heruntergekommenen Mädchen, die mit den Daumen in den Gürtellaschen an einem Highway-Schild stehen. Er schniefte abfällig, dann nahm er einen großen Schluck von dem Geleeglas mit rohen Eiern, das neben dem Bett stand. Davon trank er ein Dutzend am Tag. Schweiß tropfte ihm vom Schwanz. Sein Bauch sah aus wie ein Kühlergrill. »Ich könnte den Kerl zerbrechen wie einen Bleistift«, erklärte er und ließ seinen Bizeps spielen.
»Ach Scheiße, der Kerl kriegt mehr
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