Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
Neonröhren, in deren Licht man immer wie eine Leiche aussieht. Im Hintergrund lief ein schnelles Weihnachtslied, das nur religiöse Leute verstehen konnten.
    »Das ist das letzte Mal, dass ich so was mache«, erklärte ich. »Nach der letzten Dosis hab ich mich mit Fred Feuerstein unterhalten, verdammt.« Ich fummelte an einer Zigarette herum und war überrascht, dass ich mich bei all den Dämpfen, die ich eingeatmet hatte, nicht selbst in Brand steckte.
    »Scheiße, ich kriege immer nur die Sirenen und diese bescheuerten Lichter ab.« Jimmy wischte sich eine Strähne verkrusteter Haare nach hinten. Er hatte Koteletten, die nicht zusammenpassten, und die Augen eines Mannes, den man nicht mal mit einer Milchkuh allein lassen würde. »Aber einmal bin ich im Torch-Drive-in von einem Riesenvogel gefressen worden.« Das sagte er mit so viel Gefühl, als würde er sich an seinen ersten Kuss oder den glücklichsten Tag in seinem Leben erinnern. »Das Mistvieh hat mich aus dem Wagen gezogen wie einen kleinen Wurm. Verdammt, alter Cousin, das war ’ne tolle Zeit.«
    Mrs. Leach brachte die Kanne und stellte zwei Tassen hin, die mit orangenem Lippenstift und Schokolade beschmiert waren. Jimmy sah sie an und sagte: »Hallo, wie geht’s denn dem alten Lester so?« Ich machte eine Handbewegung, dass er den Mund halten solle, aber er war schon damit herausgeplatzt.
    »Sahne?« war alles, was sie erwiderte. Sie schaute zwar Jimmy an, hatte das Gesicht aber dabei zu mir gedreht, so sehr schielte sie. Kummer, Spott und Nachtschichten hatten sie in einen Kaffee verschüttenden Zombie verwandelt. Man hätte ihr ein Kreuz an die Stirn nageln können, ohne dass die Frau auch nur mit der Wimper gezuckt hätte. Ohne auf eine Antwort zu warten, machte sie kehrt und schlurfte zu der glänzenden Theke zurück. Ihre weiße Kellnerinnenhose hing am Hintern durch und war voller Kaffeeflecken und Doughnutfett. Wäre ich ein Mann, der sich um ein öffentliches Amt bemüht, ich würde auf Personen wie sie setzen.
    »Was zum Henker ist los mit dir? Weißt du nicht, dass er tot ist?« sagte ich mit leiser Stimme und hoffte, dass die Frau mich nicht hörte.
    »Wer ist tot?« fragte Jimmy und riss einen kleinen Plastikbehälter mit künstlicher Kaffeesahne auf. »Meinst du Lester?«
    »Er hat sich doch letzten Sommer im Gefängnis aufgehängt«, flüsterte ich und bedeckte meine Tasse mit einer Hand, als sich ein Stück von der rot verkrusteten Haut rings um seinen Mund löste und auf den Tisch fiel.
    »Scheiße«, sagte Jimmy laut und klatschte seine tätowierten Hände zusammen. »Jetzt fällt’s mir wieder ein.« Er zündete sich eine Zigarette an und warf einen Blick zu Lesters Mom hinüber. Die zupfte sich Flusen von ihrem ausgefransten Pullover und warf sie zu Boden wie zerdrückte Läuse. »Tja«, meinte Jimmy und zuckte mit den schmalen Schultern, »was soll man machen? Verdammt, Lester und ich sind zusammen zur Schule gegangen.« Er wies mit der Tasse in die Richtung von Mrs. Leach. »Ich kenn die Alte schon mein ganzes Leben lang.«
    Dann sagte ich ohne nachzudenken: »Ich war dabei, als sie ihn abgeschnitten haben.« Irgendwie redete ich immer über Sachen, über die ich nicht reden wollte, und das, was ich eigentlich sagen wollte, bekam ich dafür nicht raus. »Er hatte sich einen Müllsack um den Hals gewickelt«, fügte ich hinzu. Ich sah wieder den jungen Hilfssheriff vor mir, der seinen großen Schlüsselbund hatte fallen lassen und per Funk Verstärkung herbeischrie. Ehe ich mich versah, hatte ich die Arme um Lesters zitternde Beine geschlungen und ihn angehoben, sein Urin drang durch meinen orangenen Overall. Ich saß gerade zehn beschämende Tage dafür ab, dass ich eine lausige Packung Käse hatte klauen wollen, und für ein, zwei Sekunden glaubte ich, wenn ich ihn rettete, würde ich beweisen, dass ich etwas Besseres verdient hatte. Aber als der Deputy die Treppe hinunterstürzte, war ich verwirrt, dann wurde ich schwach. Ich hoffte nur, dass es niemand bemerkte. Am Tag zuvor hatte sich Lester einen Bleistift in den Pimmel geschoben. Das war sein größtes Talent. Ich werde nie vergessen, wie er mit den Beinen strampelte, als ich losließ.
    »Sich umbringen, das versteh ich ja noch, aber doch nicht mit einem bescheuerten Müllsack«, sagte Jimmy.
    »Wenn du mit dem Sprühscheiß und allem so weitermachst, brauchst du dir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.«
    Die Glastür ging auf, und zwei große, reizlose Frauen kamen

Weitere Kostenlose Bücher