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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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weil das schließlich der einzige Grund sei, überhaupt Psychologie zu studieren, um sich selbst heilen zu können, und das mache, so Lutz, auch den größten Unterschied zur Schulmedizin aus, dass in der Schulmedizin auch ein kranker Arzt einen Kranken heilen könne, das sei eben exakte Wissenschaft, und Rita sagte, dass die Psychotherapie inzwischen auch zur Schulmedizin gehöre und dass ein von der Cholera befallener Chirurg ganz bestimmt nicht operieren dürfe und seine Theorie daher völlig haltlos sei. Rita sagte, Lutz habe in Wahrheit kein Interesse, ihre Beziehung wieder auf gesunde Beine zu stellen, worauf Lutz völlig ausrastete, was das überhaupt heißen solle, gesunde Beine, eine Beziehung stehe doch nicht auf Beinen, und wenn sie auf Beinen stünde, warum ihre Beine jetzt plötzlich krank seien, und dann sagte Rita einfach nur: Max, und sie sagte es so, als trüge Lutz die Schuld an der ganzen Maxgeschichte, als wären es Lutz’ kranke Beine, die das zu verantworten hätten. Nicht verantworten, sagte Rita, aber sie würden ständig weglaufen, nein, eher wie gelähmt stehenbleiben und den Ratlosen spielen, das helfe aber nichts, und daher säßen sie jetzt bei Doktor Haselbrunner, die Lutz nur die Doktorin nannte. Was er sich dabei überhaupt denke, schließlich sei sein Metier um nichts komplexer als das der Psychotherapeutin, im Gegenteil, sagte Rita, sie frage sich eher, ob man für den Beruf des Zahnarztes überhaupt studieren müsse. Schließlich beschränke sich die Diagnose beinahe ausschließlich auf Loch oder nicht Loch, Wurzelbehandlung oder nicht Wurzelbehandlung. Kein anderer Arzt habe es mit derart primitiven Diagnosen zu tun. Ja, bereits das Ziehen eines Weisheitszahns überschreite die Kompetenz eines Zahnarztes und müsse von einem eigenen Chirurgen durchgeführt werden. Lutz möge sich also nicht aufspielen und die Doktorin schön brav Doktor Haselbrunner sein lassen.
    Darauf sagte Lutz nichts, auch wenn er Einiges zu sagen gehabt hätte, aber wenn Rita solche Geschütze auffuhr, dann war kein Durchkommen mehr, da ging es nicht mehr um richtig oder falsch, denn Rita sprach in Wahrheit mit sich selbst, und während dieser Selbstgespräche, von denen Lutz der Doktorin erzählte, worauf sie allerdings mit keinem Deut reagierte, blendete sie ihre gesamte Umgebung aus, was Lutz zur Weißglut brachte, aber von der Doktorin genauso ignoriert wurde wie von Rita selbst, was für Lutz nur einen Rückschluss zuließ, nämlich dass auch die Doktorin mit sich selbst sprach und dass die beiden Frauen sich blind darauf verständigt hatten, dass Lutz überhaupt nicht existierte, ja, dass dies der eigentliche Sinn der ganzen Therapie war, Lutz vor aller Augen verschwinden zu lassen, nein, ihm einen Lutz anzudichten, der nicht er war, der nur in den Köpfen der beiden Frauen existierte, gegen den man Partei ergreifen konnte. Also sagte er der Doktorin, was sie hören wollte, und diese sagte es dann Rita, die es ihm natürlich nicht sagte, weil sie wusste, dass er die Doktorin bis nach Nebraska klagen würde, wenn er erführe, dass die Doktorin seine Geheimnisse, die ohnehin keine Geheimnisse waren, weil sie ja von keinerlei Bedeutung waren, ausplauderte, und warum für Lutz Nebraska metaphorisch am Ende der Welt lag und nicht wie für die meisten der Nordpol, Madagaskar oder die Wüste, das wussten weder Lutz noch Rita noch Frau Doktor Haselbrunner und wurde in der Therapie auch nicht thematisiert. Den Traum, den immer wiederkehrenden Traum, von dem er selbst einmal gern gewusst hätte, was er zu bedeuten hatte, wollte er ebenfalls nicht mit der Doktorin besprechen. Wer weiß, welchen Strick ihm seine Frau im Falle einer Scheidung daraus drehen würde. Mit der Therapie hatten sie sich noch weiter voneinander entfernt. Vielleicht war ihnen aber auch erst bewusst geworden, wie groß die Distanz inzwischen geworden war. Die Frage, ob es sich überhaupt noch lohne, diese Entfernung zu überwinden, diese Frage wurde aber weder von Rita noch von der Doktorin gestellt. Die Entfernungsfrage, die für Rita und die Doktorin eine reine Orientierungsfrage und keine existenzielle Frage war, wurde ausschließlich von Max thematisiert. Er sagte, das alles sei ein Zazuuuz, und dieser Zazuuuz war nicht zu überwinden. Man konnte lernen, damit umzugehen, aber wegzureden war dieser Zazuuuz nicht. Und Max hatte diesen Zazuuuz zur Realität, zur Lutz’schen Realität, die Lutz aber als objektive Realität wahrnahm. In der

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