KNOI (German Edition)
schließlich ein Zazu werden. Sie sagte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie sich alles erzählt haben würden. Und wenn sie einander auserzählt hätten, sei diese Geschichte vorüber, sagte Lutz, der von Anfang an Doktor Haselbrunners Ehrgeiz unterschätzte, Erzählenswertes zu schaffen, um einander das Erzählen zu verlängern.
Der tote Vater der Doktorin stand als Unheil vor der Schlafzimmertür. Das spürte er. Das ignorierte er. Vor allem, wenn sie sich schlafend stellte und auf die nächste Berührung wartete. Es war eine Neubauwohnung mit mittelalterlichem Mobiliar. Hier träumte die Doktorin ihren dunkelbraunen Prinzessinnentraum. Er wusste, dass sie nicht schlief, also bestrich er sein Glied mit Lidocain, um Zazuuuuuuuz zu gewinnen, um das Auserzählen hinauszuzögern. Sie konnte sich nicht schlafend halten. Sie sagte, sie flüsterte, sie stöhnte, warum er sie nichts über Rita frage.
Dann kam er.
Und sie wechselte die Seite.
Die Doktorin erzählte sich bis nach Nebraska. Von dem Ekel, den Rita verspüre, wenn Lutz schwach sei, von Ritas Gewissheit, dass Max ausweglos verloren sei, dass Rita sich insgeheim wünsche, es wäre Jakobs Kind, obwohl sie das gleiche Kind vor Augen sehe, dass sie den Zazuuuz in ihrer Beziehung überwinden wolle, obwohl sie wisse, dass Lutz zu sehr Wacks und sie zu sehr Faha war. Sie erzählte von Ritas vorgetäuschten Orgasmen, dass sie Lutz für seinen Waschzwang verachtete, dass sie sich vor Jakob niemals geekelt hatte, sie erzählte, bis ihr nichts mehr übrigblieb, als von diesem Nachmittag zu erzählen, dem Dienstagnachmittag, an dem Rita Jakob auf der Straße getroffen hatte.
- Als ich ihn im Rollstuhl sah, dachte ich, man liebt nur in Katastrophen. Ich weiß, das ist ein dramatischer Gedanke. Aber ich hatte das Projekt völlig vergessen. Es war dann eine stille Abmachung zwischen uns, nur für diesen einen Nachmittag. Ich schob ihn durch die halbe Stadt, Einkaufszentren, U-Bahn, Museen, Kirchen und schließlich nachhause. Es ist sonst nicht meine Art. Eine aufgekratzte Laune. Es war seltsam. Als wir miteinander gingen, fühlte es sich fremd an, wenn Jakob seinen Arm um mich legte. Aber das hier war richtig. Jakob durch das Leben schieben. Wir lagen Seite an Seite und berührten einander nicht. Das schwöre ich. Und dann habe ich Jakob gefragt, ob er glücklich sei. Er hat mir über das Gesicht gestreichelt. Da hat es sich plötzlich nicht mehr so richtig angefühlt. Ich habe nichts gesagt. Selbst als seine Hand unter meiner Bluse verschwand. Ich habe gesehen, was mit ihm los war. Erst als er mich küssen wollte, da war Lutz einfach zu endgültig dafür. Als stünde er am Ende des Raums und würde
niedlich
sagen. Jakob spürte das und sagte: Ich glaube, Jennifer betrügt mich. Als hätte er nur deshalb versucht, mich zu verführen. Wobei das vielleicht unfair ist. Ich habe ihm sicher Anlass für dieses Missverständnis gegeben. Auf jeden Fall sagte ich etwas, dass ich überhaupt nicht dachte, ich fragte, ob er hoffe oder fürchte, dass Jennifer ihn betrüge. Und dann wurde sein Gesicht ganz weich. Und genau das ist der Unterschied zwischen Lutz und Jakob. Bei Lutz zerklirrt das Gesicht, bei Jakob weicht es sich auf. Warum fragen Sie das? Jeder hat Jakob betrogen. Man kann mit ihm gar nicht leben, ohne ihn zu betrügen. Nein, Sex mit anderen Männern hat mich nie interessiert. Aber ich habe Dinge entfernt, die ihm gehörten. Pullover, die mir nicht gefielen, überflüssige Jacken und Hemden, Fotografien, die nicht mehr in sein Leben passten, Bücher, die er nie lesen würde, Platten, die er aus purer Sentimentalität bunkerte. Den Schachcomputer, den er nie benutzte, den habe ich zu Ruby getragen, das ist der Ramschladen am Eck. Natürlich heimlich. Diesen völlig lächerlichen Aschenbecher, seine Erinnerungsschachtel, drei Notizbücher. Und ganz am Ende seine Geburtsurkunde. Nein, er hat es nie bemerkt. Jakob bemerkt überhaupt selten etwas. Nein. Er hat immer nur sich selbst dahinter vermutet. Als er wegfuhr, musste er sich erst einen neuen Reisepass besorgen. Im Nachhinein hat er das als schlechtes Vorzeichen gewertet. Aber ich bin keine Hexe. Jennifer habe ich schließlich auch nicht verschwinden lassen.
Natürlich war es Ritas Idee gewesen, da war sich Lutz ganz sicher. Beim dritten Termin (untere linke Seite) stammelte der Knoi sein Anliegen, als wäre zwischen ihnen ein Zaz und kein Zazuuuuuuuuuz. Der halbseitig betäubte Jakob saß also beim All-you-can-eat
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