KNOI (German Edition)
Jakob und sah sie an. Beide hielten den Blick.
- Wie kommst du darauf?
- Ein Gefühl.
- Ein Gefühl?
- So etwas spürt man.
- So etwas sieht man.
- Ich sehe seinen Blick.
- Ich nicht.
- Und er hat nie etwas probiert?
- Nein.
- Du würdest es mir sagen?
- Nein.
- Warum nicht?
- Dir kann man so etwas nicht sagen.
- Also hat er es probiert.
- Nein.
- Wie soll ich wissen, ob du die Wahrheit sagst?
- Es ist egal, ob ich die Wahrheit sage. Es ändert nichts.
- Ich sehe es an deinem Blick.
- Nichts siehst du.
- Du würdest es mir nicht sagen, obwohl du ihn hasst?
- Ich hasse ihn nicht, er ist mir egal.
Ein Passant sprang fluchend zur Seite.
- Du würdest es benützen, um mich und Rita auseinanderzubringen.
- Ihr seid auseinander.
- So meine ich das nicht.
- Doch.
- Nein.
- Egal.
Jakob blieb an der Kreuzung stehen. Er sagte, er glaube, Lutz habe ihm achtzehn Mal gesunde Zähne plombiert. Ob Jakob jetzt völlig durchdrehe, warum er das tun solle? Keine Ahnung, Rache, Skrupellosigkeit, es gebe viele Möglichkeiten. Er sei paranoid, sagte Jennifer, Lutz sei doch bei allen Vorbehalten kein Doktor Mengele. Warum sie ihn plötzlich so verteidige, wollte Jakob wissen. Jennifer ignorierte die grüne Fußgängerampel. Was er ihr da unterstellen wolle? Nichts, sagte er, er wundere sich nur, dass ausgerechnet sie ihn so vehement verteidige. Da verstehe er offensichtlich etwas falsch, sagte Jennifer. Sie versuche ausschließlich, Jakob vor sich selbst zu schützen. Jakob stieß kopfschüttelnd Luft aus. Bei der Ärztekammer werde er ihn anzeigen. Abgetragen habe Lutz seine Zähne, wie einen Steinbruch, wegen ein paar tausend Euro. Das Ordinieren würden sie ihm verbieten. Auf schwere Körperverletzung klagen! So viel zum Thema Konfliktscheu. Wenn er sich unbedingt der Lächerlichkeit preisgeben wolle, dann sei das der richtige Weg, sagte Jennifer. Rita würde ihm eine solche Unterstellung niemals verzeihen. Seine Gesundheit, sagte er, sei offenbar gar nichts wert in diesem Zusammenhang. Jedem Taxifahrer gebe sie Recht, jedem Kellner krieche sie in den Arsch, bevor sie sich auch nur einmal hinter ihn stelle. Die Ampel sprang von Rot auf Grün. Jennifer schüttelte den Kopf, aber nicht wie Jakobs Eltern ihre Köpfe schüttelten.
- Es reicht, Jakob!
Ohne ihn anzusehen, rollte sie über die Straße und ließ ihn stehen. Er hatte den Spieß umgedreht. Sie wusste gar nicht mehr, wie der Streit begonnen hatte. Hatte sie Lutz zu offensichtlich verteidigt? Ganz ruhig. Niemals würde Jakob ernsthaft annehmen, dass sie mit Lutz eine Affäre hatte. Sie hatten auch keine, da ging es nicht um sie und Lutz, Sybille hieß das Spiel. Ein teures Spiel, für das man viele Zähne bohren musste. Hatte Lutz tatsächlich Jakobs gesunde Zähne plombiert, um sich Sybille leisten zu können? Sie fühlte sich geschmeichelt. Wenn man für jede Plombe 300 Euro bekam, dann hatte Lutz mit Jakob 5.400 Euro verdient. Dafür würde sich Sybille glatt auf ein Bahngleis stellen. Der Befehl: Lutz müsse kommen, bevor der Zug kam. Sie lachte auf. Zu albern. Für 5.400 musste es schon eine Szene mit Anspruch sein. Eine Autostoppszene: Er stand an der Landstraße. Sybille hätte es wissen müssen, außerhalb von Rohrbach nahm man keine Fremden mit. Aber er sah so vertrauenswürdig aus. Er stieg hinten ein, da hätten doch alle Alarmglocken läuten müssen. Als sie durch den Wald fuhren, strangulierte er sie mit einem Nylonfaden. Ihre Augen quollen über, aber Jennifer blieb am Gas. Er ahmte ihre Würgegeräusche nach und lachte. Ihr Bauch zappelte über den toten Beinen. Phantomschmerz. Er hielt das Nylon gespannt und befahl ihr, in den Wald zu fahren. Dort warf er sie zu Boden. Sie versuchte davonzurobben. Aussichtslos. Er stellte sich vor sie hin. Er sagte, wenn sie leben wolle, dann möge sie jetzt artig sein. Er öffnete seinen Hosenschlitz und befahl ihr, sich hinzuknien. Hände auf den Rücken! Mund auf! Augen offenhalten! Er schlug sie ins Gesicht. 1001 Nacht, sagte er, sie solle um ihr Leben erzählen, sie habe fünf Minuten Zeit. Er nahm seinen Schwanz in die Hand, und sie sah ihn an, während sie von dem Bahngleis und dem Spiel erzählte. Es dauerte drei Minuten, dann ließ er sie im Wald liegen und fuhr mit dem Auto davon.
Jennifer kannte den Lutz hinter dem Lutz. Sie hatte das ängstliche Kind gesehen, den Jungen, der sich nicht traute, einen Blick zu erwidern. Dessen Hand sehnsüchtig über Gegenstände strich, der davon träumte,
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