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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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vor dem Meer. Er ging hinein, um sich Nahrung zu beschaffen, aber er benutzte den Wald nicht zum Spielen. Vielen Rohrbachern wäre beileibe wohler gewesen, man hätte den Rohrbacher Wald gerodet. Natürlich ahne der Rohrbacher nichts von den Menschen im Wald, sagte Frau Kerbler. Sie watete mit ihren schlammgrünen Gummistiefeln durch das nasse Laub und sagte, Jakob sei der Erste, dem sie die Waldmenschen zeige. Das habe nichts mit Vertrauen zu tun, er brauche sich darauf nichts einzubilden. Sie wolle nur prüfen, ob der Traum etwas zu bedeuten habe. Jakob sagte, er glaube nicht, dass in einem so kleinen Wald eine Zeltsiedlung sehr lange unentdeckt bliebe. Da kenne er den Rohrbacher aber schlecht, sagte Frau Kerbler. Bevor der Rohrbacher einen Schritt in seinen eigenen Wald setze, überhaupt in die Natur, müsse wirklich etwas passieren, worauf Jakob sagte, dass es meistens so sei, dass etwas passieren müsse, damit etwas passiere. Und dann dachte Jakob an Jennifer. Und Frau Kerbler dachte an Conny. Beide dachten daran, was den beiden möglicherweise zugestoßen war. Dann blieb Frau Kerbler mitten im Wald stehen und sagte:
    - Da!
    Jakob blieb ebenfalls stehen. Er lauschte einem Käuzchen. Sehen konnte er nichts. Sein Blick fiel auf Frau Kerbler, aber auch sie sah nichts.
    - Sind Sie sicher, dass es hier war?
    Frau Kerbler seufzte. Sie suchte nach Spuren, doch das Laub schien völlig unberührt.
    - Sie haben ihre Spuren verwischt, aber warum?
    - Wessen Spuren?
    Die Rohrbacher hatten die Waldmenschen womöglich aufgestöbert. Sie hatten sie eingekesselt, und dann hatten sie gleichzeitig geschossen. Keiner musste das Kommando geben. Keiner trug Schuld. Dann hatten sie das blutige Laub weggebracht und mit den Leichen verbrannt. Jetzt saßen sie im Wirtshaus und tranken. Es gab auch eine geheime Rohrbacher Geschichte, die sich die Rohrbacher nicht einmal untereinander erzählten, die aber Rohrbach zu dem Rohrbach machte, das es war. Möglicherweise waren die Waldmenschen aber weitergezogen, weil sie immer weiterzogen. Möglicherweise waren es nur Städter gewesen, die nach ihrem Zeltabenteuer in die Stadt zurückgekehrt waren. Möglichweise waren es Flüchtlinge gewesen, denen Rohrbach keine Zuflucht geboten hatte. Möglicherweise gab es keine Waldmenschen, und Frau Kerbler hatte sie bloß erfunden. Möglicherweise gab es die Waldmenschen, aber Frau Kerbler war die Einzige, die sie sehen konnte. Frau Kerbler meinte, dass sie sich bestimmt versteckt hielten, schließlich sei Jakob ein Fremder, und jetzt, da Jennifer weg sei, umso mehr, auch wenn sie ihm dankbar sei, dass er sie begleitet habe. Sie reichte ihm die Hand. Er nahm sie und sagte, dass er im Fall Jennifer nichts mehr unternehmen werde, dass er das jetzt an sie übergeben habe, und sie lächelte und drückte seine Hand, löste sie wieder und starrte auf das Laub, um weiter nach Spuren zu suchen.
    Jakob saß im Blechgehäuse. Die Hand am Lenkrad. Er schloss die Augen und stieg aufs Gas. Das Telefon abmelden. Ihre Sachen zu Ruby bringen. Ihre Nummer aus dem Kontaktspeicher löschen. Ihr nicht auf die Mobilbox sprechen. Ein Fernlicht schlug gegen die Scheibe, Jakob riss den Wagen nach rechts. Er griff zum Telefon. Nicht anrufen. Sie würde den Anruf in Abwesenheit erkennen. Selbst wenn ihr Telefon ausgeschaltet war. Keinen Streit provozieren. Er musste etwas tun. Kurzwahltaste 3.
    Konrad fuhr auf. Das
Nauro International
war ein Hotel, in dem selten ein Telefon läutete. Konrad war so lange vor dem Spiegel gestanden, bis er sich selbst nicht mehr erkannte. Das Telefon läutete, aber er blieb regungslos stehen und versuchte geräuschlos zu atmen. Es lauerte im Nachbarzimmer. Vielleicht hatte es sich inzwischen im ganzen Hotel ausgebreitet. Es gab keinen Winkel, wohin es sich nicht ausgedehnt hatte. Das Telefon verstummte. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Gleich würde er mit dem Handelsminister dinieren.
    In Nauru gab es kaum noch Nauruer. Sie zeugten keine anderen Nauruer mehr. Es gab so wenige, dass jeder, der wollte, einmal Minister werden konnte. Alle Politiker von Nauru waren inkompetent und korrupt. Das Land, das einmal das reichste der Welt gewesen war, stand am Rande des Zusammenbruchs. Das größte Phosphatvorkommen der Welt. Jahrhundertelang mussten die Zugvögel dafür die Insel einkoten. Völlig abgetragen. Heute glich die Insel einem Krater. Nauru, hatte die Rezeptionistin gesagt, heiße:
Ich gehe an den Strand
. Was anderes bleibe einem hier auch nicht

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