KNOI (German Edition)
übrig, hatte Konrad gesagt, der sich seinen Sarkasmus eigentlich abgewöhnen wollte. Die Rezeptionistin, ein blonder Kolibri, goutierte seinen Sarkasmus auch nicht und überreichte Konrad schweigend den Zimmerschlüssel. Es hatte sie wegen der Liebe hierher verschlagen, weswegen sonst, dachte Konrad, der mindestens zwei Köpfe größer war als sie. Es wäre töricht, sich in sie zu verlieben. Nauru lag auf 0° 31’ 59” südlicher Breite und 166° 55’ 0” östlicher Länge. Alleine die Anreise hatte vier Tage gedauert. Konrad stolperte über seine stelzenartigen Beine und fiel beinahe in den defekten Aufzug. Der Kolibri lächelte, versank aber gleich wieder im Monitor. Konrad räusperte sich verlegen, und sie sagte, ohne aufzusehen:
Synchronize your feet
. Das machte er und seufzte sich in den vierten Stock.
Auf Naurus Straßen gab es kein elektrisches Licht. Konrad spiegelte sich im staubigen Panoramafenster. Das Bett roch, wie Betten rochen, wenn sie zuletzt vor Monaten überzogen worden waren. Der Raum hatte inzwischen unbemerkt ein Eigenleben entwickelt. In der Luft schwebten die kleinen Teilchen dieser Selbstbefruchtung. Da war sie wieder, die Anwesenheit, die sich selbst verschluckte. Er wollte aufstehen, als erneut das Telefon läutete. Jakob rief in letzter Zeit ständig an. Als das Display erlosch, wartete Konrad, ob die Anwesenheit durch das Läuten verscheucht wurde. Als ob eine unsichtbare Person im Zimmer stünde. Es kam aus dem Nebenzimmer. Geräuschlos öffnete Konrad die Tür. Im Gang surrte es, eine Klimaanlage. Die Temperatur im Hotel entsprach exakt der Außentemperatur. Der senfgelbe Spannteppich. Leise Stimmen aus dem Nachbarzimmer. Die Tür einen Spalt offen lassen. Ein Mann sprach, die Stimme kam ihm bekannt vor. Der Mann sagte, dass es ihm leidtue, dass er zu spät komme, dass er sich das niemals verzeihen werde. Wenn sie doch nur einen Tag gewartet hätte, sie hätte doch ahnen müssen, dass es ihn gab, dass er sie früher oder später finden würde. Warum sie nicht Schlaftabletten genommen habe, dann hätte er eine Chance gehabt.
Konrad kannte die Stimme. Konrad klopfte. Die Stimme verstummte. Er presste das Ohr gegen die Mahagonitür. Er spürte, wie der Mann auf der anderen Seite das Gleiche tat. Es war seine eigene Stimme. Was machte sie in diesem Zimmer? Er klopfte erneut. Er strich mit den Fingerspitzen über das Holz. Hinter ihm. Es starrte auf seinen Nacken. Er lief zum Aufzug. Defekt.
Synchronize your feet
. An der Rezeption saß der Kolibri und starrte in seinen Computer. Als Konrad über die Stiegen in die Lobby stolperte, entkam ihr ein Lächeln.
Mister Schober
. Sie hatte sich seinen Namen gemerkt.
- Can I help you?
Er war vermutlich der einzige Gast.
- Someone died in room 412.
- That’s impossible, sagte der Kolibri.
- Why? fragte Konrad.
Die Dame sei gestern abgereist. Sie habe auf jemanden gewartet, der aber nicht erschienen sei. Konrad schüttelte den Kopf. Sie möge das Zimmer öffnen. Er schwöre, dass etwas passiert sei. Vermutlich Selbstmord.
- We would know, Sir, sagte der Kolibri.
- Do it for me, sagte Konrad, als herrschte zwischen ihnen Zazu. Der Kolibri sagte nicht wie erhofft:
For You
, stand aber auf und suchte den Schlüssel. Sie war tatsächlich zwei Köpfe kleiner als er, und während er hinter ihr her stolperte, war er kurz davor zu fragen, was sie nach Nauru verschlagen habe. Er ahnte aber ihre Antwort, nämlich, dass sie an den Strand gehen wollte, er ahnte eine Antwort, weil er tatsächlich das Gefühl hatte, es herrsche zwischen ihnen Zazu. Und weil er diese Ahnung nicht gefährden wollte, ließ er die Frage und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf ihre Schritte, die geräuschlos über den Boden wischten. Gleich würde etwas passieren, das ihre Leben für immer verändern würde.
Vor der Mahagonitür blieben sie stehen. Der Kolibri schenkte ihm noch ein Stirnrunzeln, um vorwegzunehmen, was sie gleich zu sehen bekämen. Dann zog sie die Karte durch den Schlitz, und die Tür sprang auf. Konrad wollte, dass ihr Blick zuerst ins Zimmer fiel. Die Tür zu 411 war geschlossen. Er hatte sie doch angelehnt. Oh, sagte der Kolibri, oh what? fragte Konrad, doch der Kolibri sagte nichts mehr, drückte die knarrende Tür auf, damit er ins Zimmer sehen konnte. Oh, sagte Konrad, und der Kolibri trippelte zum offenen Fenster. Konrad wartete in der Tür und beobachtete jede Bewegung. Sie schloss das Fenster, ohne hinunterzusehen. Dann blieb sie vor dem
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