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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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Gesicht. 
    Also – Neumann hat ein Alibi. Frau Nilsson hat ein Alibi. Ehepaar Poletti desgleichen. Und Moliére mit seinen Geschichten. Bleiben die Schultzes mit ihrer geheimnisvollen nächtlichen Spazierfahrt. Spazieren in letzter Zeit viel herum, meine Freunde aus der „kleinen Etage“. Und überhaupt – es ist Zeit, sie aufzusuchen. 
    Ich hebe den Hörer ab und rufe im Hotel an. Ich erwische die Rezeptionistin, die mich sofort unterrichtet, dass das Ehepaar Schultz, Zimmer 329, seinen Schlüssel noch nicht abgegeben hat und allem Anschein nach im Hotel ist. Ich breche auf. Draußen gehe ich über das Trottoir, wo die Tauben mit ihren roten Augen hin und her trippeln, und als ich so sehe, wie sie mir langsam und gravitätisch aus dem Weg gehen, kommt mir plötzlich ein unerwarteter Gedanke. Da ist noch jemand, der kein Alibi hat, aber eins haben müsste.

17. Kapitel
     
     
    Den Schultzes begegne ich auf dem Parkplatz vor dem Hotel. Der Mann hat die Motorhaube des Wagens – eines ziemlich neuen BMW – hochgeklappt und sich über den Motor gebeugt. Die Frau und der Junge stehen dabei, und ihre Gesichter drücken Besorgnis aus. Ich begrüße Frau Schultz, der Mann richtet sich auf und sieht mich. Er nickt freundlich, dann wischt er sich die Hände in einer Küchenrolle ab.
    Ich trete hinzu. Dass Verbrennungsmotoren meine Leidenschaft wären, kann ich nicht behaupten, aber ein bisschen was verstehe ich doch davon.
    Wir wechseln ein paar belanglose Sätze, und ich erkundige mich natürlich, was mit dem Auto ist.
    „Ich weiß nicht ... es springt an, bleibt aber sofort wieder stehen!“, sagt Herr Schultz nachdenklich und steckt die Küchenrolle gedankenverloren in die Seitentasche des Autos. 
    Ich schalte mich in die Untersuchung ein. Herr Schultz steigt in den Wagen, startet. Der Anlasser surrt. Ja, der Motor streikt sofort. Ich drücke da und dort, ohne sonderlichen Erfolg, wie ich zugeben muss.
    Um uns herum stehen, wie um jedes Auto mit hochgeklappter Motorhaube, Jungen. Zwei so an die zehn, die sich mit der ihrem Alter entsprechenden Würde benehmen, und ein kleinerer, der sich nicht zurückhalten kann und mir über die Schulter schaut.
    „Das sind keine Autos!“, stellt der eine fest. „Den geb ich auf der Stelle für’n Citroën her, das kannste glauben.“ 
    Er sagt das so, als stünde der Citroën hinter der Ecke und warte nur darauf, eingetauscht zu werden.
    „Na ja.“ Der andere wiegt den Kopf. „Aber auch die Citroën, die sind ... ’s kommt darauf an, was du für einen erwischt. Nun mach, wir kommen zu spät zur Tagesschau.“ 
    Ich habe den Kopf unter die Motorhaube gesteckt, höre zu und kehre für einen Augenblick dreißig Jahre zurück. Wir sind auch zehn. Stehen da, meine Freunde und ich, schwatzen, und in den Hosentaschen stecken die Eintrittskarten für die Vormittagsvorstellung. Ein Klassefilm, eine kolossale Sache. Der Hund Rin-tin-tin und das Pferd Rex, acht Serien, zweiunddreißig Teile. Ein wenig stimmt es mich heiter, ein wenig bitter. Warum habe ich damals nicht gewusst, dass unser ganzes Leben ein Film ist? Acht Serien, zweiunddreißig Teile und ein bisschen darüber?
    Ich blicke auf, die Jungen sind fort, vielleicht sind sie gar nicht da gewesen.
    Schultz steigt völlig entmutigt aus dem Auto.
    „Die Zündung scheint nicht ganz in Ordnung“, sage ich so wissend wie möglich. „Ich kann Ihnen da nicht helfen, habe aber einen Bekannten in einer Werkstatt. Nur zwei Straßen weiter. Die schleppen die den Wagen ab und reparieren ihn, wenn Sie möchten.“ 
    Schultz schaut mehr als finster drein.
    „Vielleicht wollten Sie heute abfahren?“ 
    „Ach nein“, antwortet er. „Morgen früh.“ 
    „Ich bin überzeugt, es ist nur eine Kleinigkeit und wird wohl kaum sehr teuer werden. Bei uns sind die Werkstätten kleiner als gewohnt, müssen Sie wissen.“ 
    Das überhört er.
    „Was meinen Sie“, fragt er, „ob sie wirklich kommen?“ 
    „Selbstverständlich! Dafür sind sie doch da!“ 
    Selbstverständlich, weil dies ein ganz besonderer Fall ist, und derjenige, der kommen soll, schon bereitsteht. Ansonsten kann ich mir vorstellen, wie sie von der Werkstatt angerannt gekommen wären. Umso mehr, als der Wagen gar kein Defekt hat, nur der Auspuff ist sorgfältig verstopft, und zwar so, dass man es nicht bemerkt.
    Danach entwickeln sich die Dinge, wie ich es vermutet habe, wir machen uns auf die Suche nach einem Telefon und reden dabei Allgemeines. Wo sie gewesen

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