Kobra
sind, was sie gesehen haben und so weiter.
„Gestern Abend waren wir mit Bekannten auf dem Champs-Élysées!“, verkündet Frau Schultz. „Die Lichter der Stadt und diese Künstler ...“
„Haben Sie denn Platz in einem Nachtcafé gefunden?“, frage ich verwundert. „Dort ist es fast immer voll.“
„Wir hatten einen Tisch bestellt!“, antwortet Frau Schultz.
Der Mann betrachtet mich aufmerksam und scheint meine Gedanken zu lesen. Er scheint sie wirklich zu lesen, denn er sagt plötzlich: „Wir sind sehr zeitig von hier aufgebrochen, fast sofort, nachdem ... nachdem wir Sie im Korridor getroffen haben. Sie erinnern sich doch?“
Natürlich erinnere ich mich. Ich nicke und befasse mich ernsthaft mit der Wählscheibe. Am Horizont zeichnet sich so etwas wie ein Alibi auch für die Schultzes ab, aber kein ganz sicheres.
Wir regeln die Frage mit der Werkstatt und trennen uns. Ich schlendere zum Hotel, denn ich habe noch ein anderes Telefongespräch zu führen. Während ich durch die Korridore gehe, frage ich mich, ob unsere Jungs im Wagen wohl etwas finden werden. Die Erfindungsgabe der Schmuggler ist unbeschreiblich. In den Stoßstangen, den Türgriffen, im Radio ... Aber ich glaube nicht allzu sehr daran, dass wir etwas entdecken werden.
Das Telefongespräch führe ich mit dem Capitaine de Police. Er muss mir alles Neue im Fall Fenner berichten. Und das Wichtigste: Spuren. Es gibt keinen Mörder, der keine Spuren hinterlässt. Wir haben es nicht mit Geistern zu tun. Ich vernehme vom anderen Ende der Leitung die volle Stimme des Capitaine de Police, ein bisschen heiser von den zwei Päckchen Zigaretten täglich.
„Dr. Bouché, wir haben geklärt, wie geschossen wurde.“
„Wie?“
„Ganz aus der Nähe, mit einer Pistole mit Schalldämpfer. Wir haben die Entfernung und die Stelle bestimmt, wo der Mörder gestanden hat.“
„Gut“, sage ich, „das ist schon etwas.“
„Und genau an dieser Stelle haben wir auf dem Teppich ein Klümpchen trockenen Schmutz gefunden. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt er von den Schuhen des Mörders. Alles eingesammelt und schon in die Forensik geschickt.“
„Sehr gut.“
„Natürlich kann die Analyse allein ...“
Klar. Zwar ist die Analyse von einem Klümpchen Schmutz interessant, doch viel interessanter wäre sie, wenn sie eine vergleichende Analyse wäre, das heißt, wenn ich entsprechende Schmutzkrümel von den Schuhen der Verdächtigen herbeischaffen könnte. Oder von dem Auto, mit dem sie zur Wohnung der Fenner gefahren sind. Dann würde der Vergleich vernichtende Indizien liefern. Bloß, der Capitaine de Police weiß sehr gut, wie schwierig das ist, was da unternommen werden muss.
„Sonst noch etwas?“
„Der Gerichtsmediziner ist schon an der Arbeit.“
„Und?“
„Wenn er fertig ist, geben wir die Kugel zur forensischen Ballistik. Es ist mit dem Institut abgesprochen, dass wir die Ergebnisse so schnell wie möglich erhalten. Angaben über die Waffe, aus der geschossen wurde. Vorläufige Angaben, versteht sich.“
Ein Laie ahnt nicht einmal, was da alles getan werden muss.
Die Kugel ist die Visitenkarte der Waffe. Jeder Kratzer darauf wird fotografiert, gemessen, verglichen. Im Waffenmuseum werden unter Hunderten Pistolen die entsprechende Marke und das Modell ausgesucht. Schussproben werden gemacht. Die Spuren auf den Projektilen verglichen. Da werden Leute überlegen und heftig diskutieren, die die Ermordete überhaupt nicht kennen, doch ihr Abschlussbericht wird eine Menge Nerven gekostet haben.
„Haben Sie noch ein paar andere Nachbarn befragt?“
„Ja. Sie können nichts Bestimmtes sagen, Dr. Bouché. Eine Frau aus dem Haus hat einen Mann in den zweiten Stock steigen sehen, aber ...“
„Was aber?“
„Sie hat ihn von hinten gesehen und kann ihn nicht beschreiben. Sie ist eine ältere Frau und hat nicht darauf geachtet. Kann auch sein, der Mann hat gar nichts mit dem Fall zu tun.“
„Versuchen Sie ein Phantombild.“
„Darum bemühen wir uns jetzt. Es klappt nicht.“
Das Bild, von dem die Rede ist, ähnelt einem Puzzle. Hier ist das Bild ein menschliches Gesicht. Aus Dutzenden Nasen wird eine ausgesucht, aus Dutzenden von Stirnen eine ausgewählt, sie werden aneinandergelegt, ausgewechselt – Augen, Ohren, Haar, bis ein annäherndes Bild der Person herauskommt, die wir suchen.
„Wie spät war es?“
„Gegen neun oder kurz danach.“
„Fällt es mit dem Zeitpunkt
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